Purkersdorf Forum Archiv 2002
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Karl Berger ® sagt am 19.03.2002 22:35 zu Herzogstuhl ?:Erster Beitrag

Re: demo gegen wehrmachtsausstellung


Tja, lieber Herr Berger, wie lange sollen wir bzw. „die
Deutschen“ (!)
Ihrer Meinung nach uns/sich noch schämen?

Nach dem 2. Weltkrieg gab es 2 Parolen: »Niemals wieder!« und »Den Anfängen wehren!«. Ich denke, das Wort »Niemals« sagt über den Zeitrahmen über den wir hier sprechen, genügend.
Der zweite Weltkrieg und die
Herrschaft des Nationalsozialismus endete vor 57 (in Worten: siebenundfünfzig) Jahren, wie viele wirkliche Täter leben heute
noch?
Es leben sehr viele Menschen in entscheidenden Positionen, die von alten Nazis erzogen, unterrichtet und verwaltet wurden. Es leben sehr viele Menschen, die die Lebenslüge von »Österreich als erstes Opfer der Nazis« gerne glauben möchten.
Ganz nebenbei: Die „Scham“ für welche Vergangenheit wird
Ihrer Meinung
nach entsorgt? Wofür habe ich mich zu schämen, wofür meine
Kinder oder
meine Eltern, wofür hat sich mein Großvater (Soldat im 2 WK) zu schämen, dafür daß wir es wagen zu leben?

In Österreich können Menschen zum Präsidenten gewählt werden, die in der Wehrmacht »nur ihre Pflicht erfüllt« haben. Ihre Pflicht erfüllt haben meines Erachtens nach die Menschen, die passiv und aktiv gegen dieses System Widerstand geleistet haben. Wehrmachtsangehörige können für sich geltend machen von einer mörderischen Diktatur zur Teilnahme an verbrecherischen Eroberungskriegen gezwungen worden zu sein. Scham darüber wäre keine falsche Reaktion.
Stehen Sie täglich auf und
knien betroffen nieder vor der Geschichte Ihrer Familie? Warum
haben
gerade Deutsche Soldaten in allen möglichen Teilen der Welt
nichts
verloren, andere hingegen schon?

Soldaten haben in keinem Land außer in Ihrem Heimatland etwas verloren (und dort meiner Meinung auch nur solange etwas, bis man effektivere Lösungen für Katastropheneinsätze hat). Bei den Deutschen Soldaten kommt aber dazu, dass der deutsche Imperialismus die Welt schon vor 60 Jahren in den grauenhaftesten Krieg geführt hat und deutsches Weltmachtgehabe schon wieder deutlich zu hören ist. (»Deutschland kann sich seiner internationalen Verantwortung nicht entziehen,« und ähnlicher Schmonzes.)
Und – ja – die Untaten der Nazis sind
Teil der Geschichte, nicht der Gegenwart, die birgt weiß Gott
andere
Untaten, die es zu bekämpfen gilt. Oder beginnt die Gegenwart
bei Ihnen
zufällig 1945?

Nein, für mich beginnt die Gegenwart mit der Machtergreifung der Nazis. Was damals die Nazis an die Macht gebracht hat, wirkt heute noch: Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und die Herrschaft der skrupellosesten Teile des Kapitals. Denken sie daran, wie heute noch (nicht nur in Wahlkämpfen) der nationale Schulterschluß beschworen wird. In Österreich leben sehr viele ehrenwerte, nette Menschen. Sobald sich aber dieses nationale »WIR« einstellt, und Menschen zum »Österreicher« an sich mutiert, stellt er nur eine schmierigere Variante des »Deutschen« dar, Menschen also »mit einer historisch erworbenen Immunschwäche gegen völkischen Koller« wie es Hermann L. Gremliza im »Konkret« so schön ausdrückte

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