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Simone de Beauvoir


100. Geburtstag von Simone de Beauvoir

 

„Ich habe lange gezögert, ein Buch über die Frauen zu schreiben. Das Thema ist ärgerlich, besonders für die Frauen………..“ (Simone de Beauvoir in: „Das andere Geschlecht“, S. 7).

 

Schließlich hat sie dieses Buch doch geschrieben, dieses Buch über die Frauen. Es erschien im Jahr 1949, in der deutschen Fassung 1951. Es trägt den Titel „Das andere Geschlecht“, nur wenige Wochen nach seinem Erscheinen war es nach der Startauflage von 20.000 Exemplaren bereits erstmals vergriffen.

„Das andere Geschlecht“ barst mit der explosiven Gewalt einer Bombe mitten in der europäische Nachkriegs-Geisteswelt, in der Gegenbilder zum amerikanisierten Mainstream mit dem groben Gespür der Kalten Krieger schonungslos diffamiert und drangsaliert wurden.

Beauvoirs Hauptwerk, eines der feministischen Schlüsselwerke katexochen, provozierte Anfang der 50er Jahre die verzopfte und verstaubte politische und kulturelle Elite Westeuropas: Es landete umweglos auf dem Index des Vatikans, an den meisten Universitäten sorgte es für verstörten Widerstand, gar für Hass und verächtliche Sottisen in den eigenen existentialistischen Reihen: So kündigte Albert Camus, der existentialistische Weggefährte Jean Paul Sartres, des Lebensgefährten Beauvoirs, ihr die Freundschaft auf.

 

Schriftstellerin, Philosophin, Feministin

 

Simone de Beauvoir kam am 9. Jänner 1908 in Paris zur Welt. Bereits mit 17 begann sie an der „Ecole Normale Superieure“ ein Literatur- und Mathematikstudium, sattelte 1926 dann auf das Studium der Philosophie an der Sorbonne um.

1929 absolvierte sie mit Erfolg – sie war, obwohl um drei Jahre jünger, Jahrgangszweite nach Sartre – die Abschlussprüfung in Philosophie und avancierte damit zur ersten Philosophieprofessorin Frankreichs. Bereits als Lehrende begann sie zu schreiben, ihren schriftstellerischen Durchbruch schaffte sie mit ihren existentialistischen Romanen „Sie kam und blieb“ (1943) sowie „Das Blut der anderen“ (1945).

Schon diese beiden Werke, in denen sie ohne Tabus und Rücksichten auf gesellschaftliche Konventionen die freie Liebe proklamierte, die sie vor allem in den französischen Künstlerkreisen als verwirklicht verortete, begründeten ihren Ruf als Ikone der linken Kulturintelligenz.

Diesen Ruf zementierte sie mit der Veröffentlichung ihres Hauptwerks „Das andere Geschlecht“, worin sie das Wesen und die strukturellen Bedingungen der weiblichen Unterdrückung in allen politischen Gesellschaftsformationen und in allen Epochen analysierte. Mit dieser Phänomenologie des Sexismus schuf Beauvoir eine solide Grundlage der Theorie des Feminismus; damit demontierte sie nicht nur das Geschichtsverständnis des Patriarchats auf allen Ebenen, ihre wirkungsgeschichtliche Ausstrahlung und Bedeutung griff und greift weit über den Geist des von Sartre geprägten Existentialismus hinaus; denn der Versuch der Festlegung von Beauvoirs radikaler Analyse der gesellschaftlichen Mechanismen der Unterdrückung der Frau als philosophische Variante des Existentialismus war bloß eine der subtileren patriarchalen Widerstands- und Demütigungsstrategien.

 

Gegen Ehe und Mutterschaft

 

In „Das andere Geschlecht“ erteilte Beauvoir außerdem der Ehe eine schroffe Absage, zumal gerade die Ehe in einer von Männern dominierten Welt eine der Grundvoraussetzungen von Knechtschaft der Frau, wie sie schrieb, sei.

Die größte Gefahr, so Beauvoir, ginge jedoch von der Mutterschaft aus, Schuld trügen die Umstände, unter denen Frauen Mütter sein müssten. Daher trat Beauvoir für das Recht auf Abtreibung zu einem Zeitpunkt ein, als es noch keine Pille gab und Empfängnisverhütung mit Gefängnisstrafe bedroht war.

Ausgehend von der Methodologie der existentialistischen Philosophie, doch entscheidend darüber hinaus- und auf marxistische Geschichtsanalyse zurückgreifend, rückte sie die individuelle Erfahrung als Frau ins Zentrum ihrer Betrachtungen: Erst die Frau als freies Subjekt, die sich durch Aktivität selbst entwerfe, könne sich aus der Abhängigkeit vom Mann befreien; von einem Mann, der sich als alleiniges Subjekt, als das Essentielle begreife und definiere.

Daher sei es auch nicht selbstverständlich, dass sich die Unterdrückung der Frau im Kommunismus auflösen werde, auch wenn dies die Perspektive sei, „welche die sowjetische Revolution versprochen hatte“ („Das andere Geschlecht“, S. 903).

 

Sozialisation statt Chromosom

 

Mensch werde eben nicht als Frau geboren, lautet der Schlüsselsatz aus ihrem Hauptwerk, mensch werde erst zur Frau gemacht. Durch die Kultur, durch die Gesellschaft, durch diesen ganzen gesellschaftlichen Unter- und Überbau, der sich immerfort und hysterisch austauscht wie ein riesiges kommunizierendes Gefäß, werden Ideologie und Riten, Rollen und Zuschreibungen, Arbeit und Kleidung  bestimmt. Nicht die Biologie des Weiblichen, nicht die Natur, determiniert die Frau, die Gesellschaft ist`s, die die Rollen definiert und verteilt.

„Die Frau wird weder durch ihre Hormone noch durch geheimnisvolle Instinkte bestimmt, sondern durch die Art und Weise, wie sie durch das Bewusstsein Fremder ihren Körper und ihre Beziehung zur Welt erfasst (Das andere Geschlecht“, S. 904).

Beauvoirs Überzeugung, dass die Verschiedenheit der Geschlechter vorwiegend mit Sozialisation zusammenhängt und kaum mit Chromosomen und Hormonen, formierte sich vor allem in den feministischen Gegenentwürfen zum Nukleus des Widerstands. Sie ließ Beauvoirs Werke zum animierten Katechismus der modernen und postmodernen feministischen Literatur und ihre Schöpferin zum unumstrittenen, inspirierenden Star werden.

 

Doch so sehr Beauvoir feministische Politik beeinflusste, befruchtete, ja schuf, so wenig lässt sie sich darauf reduzieren, „nur“ als Feministin“ Geltung erlangt zu haben: Die Romane und Erzählungen, die autobiographischen Schriften und Dokumente, ihre philosophischen Essays, ihre Reiseberichte und journalistischen Arbeiten verstehen sich eo ipso als Message für Emanzipation und Gleichberechtigung. Aber sie sind auch und gerade Ausweis der kreativen und intellektuellen Kraft einer großen Romanschriftstellerin, einer Philosophin von außergewöhnlichem Rang.

 

Mit Sartre verband sie übrigens eine lebenslange Liebe, Freundschaft sowie eine kreativ-intellektuelle Arbeitsbeziehung. Sie entwarfen und verwirklichten als Paar das Gegenbild zur bürgerlich-konservativen Beziehungs- und Ehestruktur inklusive getrennter Wohnungen sowie offener und öffentlich gemachter Liebschaften. Diesen Pakt besiegelten sie unter der Voraussetzung der konsequenten Entsorgung bürgerlicher Moralvorstellungen, indes unter der Unabdingbarkeit gegenseitiger Redlichkeit, Aufrichtigkeit und Freiheit.

 

Simone des Beauvoir starb am 14. April 1986 in Paris, sie liegt am Cimitiere de Montparnasse begraben.

Manfred Bauer

 

In der Stadtbibliothek Purkersdorf liegen folgende Werke von Simone de Beauvoir auf:

"Das andere Geschlecht"

"Eine gebrochene Frau"

"Amerika Tag und Nacht"

 

Samstag, 8. März 2008 (Int. Frauentag), 17.00 Uhr im Culinarium Gablitz:

 

Einfrauenstück "Simone de Beauvoir Update" - eine Produktion von portraittheater

 

 

 


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Letzte Änderung: 2008-02-21 - Stichwort - Sitemap