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Ich und Kaminski - Schnee von Morgen


 

 

Ich und Kaminski – Schnee von Morgen

Eine Rezension von Manfred Bauer/Stadtbibliothek Purkersdorf

 

Die Veröffentlichung seines Schlüsselromans „Die Vermessung der Welt“ hat Daniel Kehlmann in die erste Reihe österreichischer GegenwartsautorInnen katapultiert – nachgerade zu einem Popstar der heimischen Literaturszene gemacht.

Was bei dem – berechtigten- Hype um die verwobenen Biografien der beiden Naturwissenschaft-Genies Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß naturgemäß unterging, war die Tatsache, dass Kehlmann bereits Jahre zuvor literarische Meisterstücke geliefert hat; bloß wurden diese vom Feuilleton nicht wahrgenommen.

Eines seiner Masterpieces ist der Roman „Ich und Kaminski“:

Auch darin geht es um die historische Aufarbeitung der - fiktiven – Biografie des genialen Malers Kaminski, der, fast blind, in einem kleinen Dorf in den bayerischen Alpen lebt und arbeitet und um dessen Leben und Werk sich Mythos und Legenden ranken.

Sebastian Zöllner, Kulturjournalist mit dürftigen Anfangserfolgen, glaubt das große journalistische Los gezogen zu haben, wenn er eine Biografie des ebenso berühmten wie mysteriösen Kaminskis schreibt, der einst sogar mit Matisse und Picasso verbunden war. Diese Biografie wird für Zöllner geradezu zur Obsession.

Doch Zöllner selbst, neben Kaminski gerade einmal ein „second hand – Held“, fliegen vermutlich nicht die Herzen der LeserInnen zu: zu eitel ist sein Ehrgeiz, zu unsympathisch seine Obsession, zu wenig lauter seine Absicht,  zu flach sein Stil, fast widerlich sein Mangel an Selbstreflexion und Erkenntnis.   

Kehlmann zeichnet hier mit intrinsischer Authentizität  das Bild einer Figur des Kunstbetriebs, die glaubt, mit dem Verfassen einer „Schlüsselbiografie“ selbst zu einer Schlüsselfigur des  Kunstbetriebs zu werden. Doch in den Gesprächen mit Kaminski, die selbst dessen Tochter nicht zu verhindern vermag, verliert Sebastian Zöllner selbst die Fäden, von denen er geglaubt hat, sie in der Hand zu halten: Kaminski durchschaut Zöllner und mit ihm den ganzen hohlen Kunstbetrieb, aus dem der Journalist stammt. Der schlichte Roman-Schluss, der hier nicht verraten werden soll, wird zum fast solipsistischen Symbol für die triviale Schlichtheit dieser Kunstszene selbst, die weniger die Kunst als sich selbst inszeniert.

Kehlmanns Roman ist eine Satire mit punktgenauen Verwundungen: beißend, hintergründig, hinreißend lustvoll.

In diesem Roman, der nicht zuletzt raffiniert und mit äußerst amüsanten Dialogen glänzt, nimmt sich der spätere Bestseller-Autor selbst vorweg: „Kaminski und Ich“ ist jener Schnee von Morgen, der im Roman „Die Vermessung der Welt“, dann so dicht gefallen ist.

Manfred Bauer   

 

Mehr von Daniel Kehlmann in der Stadtbibliothek Purkersdorf, Linzer Straße 14 (02231-67 977 oder 0660/ 651 61 37).

 


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Letzte Änderung: 2008-02-09 - Stichwort - Sitemap