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Josef Weinheber: Dichterfürst und NS-Poet


Josef Weinheber: Dichterfürst und NS-Poet

Josef Weinheber, geboren am 9. März 1892 (2007 feiert er also seinen 115. Geburtstag), war ein österreichischer Lyriker, Romancier und Essayist. Weinheber verbrachte seine Kindheit in einem kleinen Haus in Purkersdorf - das Weinheber-Denkmal auf der Feihlerhöhe erinnert an diese Purkersdorfer Jahre. Weinhebers Vater, ein Metzker, kaufte und vertrieb Vieh entlang des Wienflusses nach Wien. Seine Eltern starben, als er noch ein Kind war; Weinheber kam ins Waisenhaus.

Seine Kindheit und Jugend als herum gestoßener "Proletarierbub", seine extremen Erfahrungen gesellschaftlicher Deklassierung während dieser Zeit (katastrophale Familienverhältnisse, Arretierung in einer Besserungsanstalt, Waisenhaus, Abbruch der Schule) hatten zeitlebens ein augeprägtes Bewusstsein sozialer Minderwertigkeit zur Folge und nährten gleichzeitig den übertriebenen Wunsch nach Anerkennung und nach Verwischung der depravierenden Herkunft und der mangelnden Bildung (ein Beispiel dafür liefern Weinhebers hysterische wie schließlich erfolgreiche Bemühungen aus dem Jahr 1936 um die Verleihung des Professorentitels an Stelle des Bundesverdienstkreuzes).

Viele der späteren Lebensenscheidungen Weinhebers, sein poetisches Selbstbewusstsein, wichtige Teile seiner Ästhetik, doch auch seine politische Festlegung als fanatischer Nationalsozialist und Enthusiast des Ständestaates, sind vor dem Hintergrund seiner Sozialisation zu sehen.

Weinhebers Ästhetik und Poetologie

Bei der Beurteilung von Josef Weinheber gilt es, die wechselseitigen Bezüge zwischen seinem Leben und seinem Werk zu berücksichtigen sowie die sehr polarisierte und polarisierende Rezeptionsgeschichte (hie fanatische AnhängerInnen, da fanatische GegnerInnen) in Betracht zu ziehen.

Nach der - abgebrochenen - Schulzeit hielt sich Josef Weinheber mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Von 1911 bis 1932 jobbte er als Postbediensteter, bereits 1919 veröffentlichte er erste Gedichte in der Zeitschrift "Muskete". Dass er 1918 aus der katholischen Kirche austrat und 1927 zum protestantischen Glauben wechselte (anlässlich seiner zweiten Eheschließung), sei hier nur der biografischen Ordnung halber erwähnt (auch, dass er knapp vor seinem Tod am 8. April 1945 wieder den katholischen Glauben annahm, ebenso wie seine zweite Ehefrau Hedwig, die sich nach 1945 intensiv um die politischen und persönlichen Retuschen des Weinheber-Bildes in der Öffentlichkeit bemühte, sei hier noch ergänzt).

Stand Weinheber zunächst unter dem literarischen Einfluss von Rainer Maria Rilke und Anton Wildgans, speisten sich seine Werke später aus einer seltsamen ideologischen und poetologischen Gemengelage aus heidnischer Götter- und Antikenverehrung sowie einem Destillat aus Schopenhauer- und Nietzsche - Ideologie. Somit kompensierte er seine soziale Position als einfacher Postbeamter weit über das 40. Lebensjahr hinaus durch eine Übersteigerung seines schriftstellerischen Selbstbewusstseins bis hin zur Stilisierung als Hohepriester der Sprache, als "Dichterfürst", ja als geistiger Führer des deutschen Volkes, dem freilich erst nach der Veröffentlichung seines Werkes "Adel und Untergang" in einem deutschnationalen Verlag (Luser, Wien 1934) zumindest ein Teil der von ihm eingeforderten Wertschätzung entgegen gebracht wurde. Der Gegensatz zwischen "unten" (familiäre und private Tristesse) und "oben" (bürgerliche Ordnung, öffentliche Anerkennung) prägten also Weinhebers Poetologie. Seine Vorliebe für abstrakte sowie heroisch-pathetische Texturen ("Gesetz", "Auftrag", "Menschentum", "Tapferkeit", "Schicksal" u.a.) sowie die vielen philosophischen Gemeinplätze markieren einen großen Teil seines Werkes. Darin zeigte sich auch die tiefe Verbundenheit Weinhebers mit dem Nationalsozialismus, die besonders in der poetischen Architektur seiner Texte in der Zeit von 1938 bis 1945, die er selbst als seine besten und bedeutendsten bezeichnete, zum Ausdruck kam.

Weinheber als Nationalsozialist

Mit der abstrakten, heroisch-pathetischen Begrifflichkeit von Weinhebers Lyrik und seinem rasanten öffentlichen Erfolg seit 1934 sind zugleich seine Verstrickungen in den Nationalsozialismus angesprochen (um eine solche handelte es sich nämlich, nicht bloss um einen kurzzeitigen "Irrtum"). Der gesellige Verkehr in den deutschnationalen Zirkeln seit dem Ende der 20er Jahre, der Eintritt in die NSDAP 1931, seine rege Tätigkeit innerhalb der NSDAP bis zu deren Verbot in Österreich, seine Rolle als Denunziant von innerparteilichen "Dissidenten" sowie von österreichischen Juden in der Wiener Literaturszene, ist ein von LiteraturwissenschafterInnen sowie HistorikerInnen festgestelltes Faktum (vgl. z.B. Albert Bergers "Josef Weinheber. Leben und Werk - Leben im Werk")

Ebenso, dass diese nazistischen Aktivitäten Weinhebers vor allem seiner tiefen Antipathie gegen die parlamentarische österreichische Republik zuzuschreiben war (dies kann zwar sein Verhalten erklären, jedoch nicht rechtfertigen).

Gegen eine nachsichtige Beurteilung der politischen Festlegung Weinhebers sprechen außerdem sein rabiater Antisemitismus sowie sein faschistoides Frauenbild - beides lässt sich in seiner Lyrik nachweisen. So verortete er etwa die Ursachen für seinen anfänglichen literarischen Misserfolg in der jüdischen Unterwanderung des österreichischen Kulturbetriebs.

Nach dem Verbot der NSDAP in Österreich biederte sich Weinheber dem Ständestaat an. So verfasste er u.a. für eine Heldengedenkfeier in Wien Anfang 1935 eine Hymne mit dem Titel "Der Gefallene", die als Würdigung von Engelbert Dollfuß verstanden wurde.

Nach der Annexion Österreichs (Weinheber ist 1944 ein zweites Mal der NSDAP beigetreten) hat er sich vom Hitler-Regime hofieren lassen (1936 erhielt er in München den Mozart Preis, 1941 aus den Händen von Josef Goebbels den Grillparzer Preis), wofür er Unsäglichkeiten wie die Ode "Blut und Stahl", Grußbotschaften an den Führer oder sogar lyrische Gesänge auf den Bau der Reichsautobahn lieferte: "....Von einem Willen ehern und herrscherfroh.........In Ehrfurcht vor dem Vater des Vaterlands/Beug sich die Stirn........".

Selbst für seine späte Lyrik, als Weinheber am Endsieg zu zweifeln begann, und er sich auf die Verherrlichung von Werten einer abendländischen Humanität und auf die Beschwörung einer mystisch-katholischen Frömmigkeit zurückzog, blieb der Gedanke einer Erneuerung der europäischen Kultur durch das "Deutschtum" für Weinheber bestimmend.

Selbstmord 1945 und Rezeption des Werks

Am 8. April 1945 beging Josef Weinheber im niederöstereichischen Kirchstetten Selbstmord. Noch Anfang 1945 wollte er den so genannten "Hymnus der Heimkehr" das heute im negativen Sinn wohl berühmteste Gedicht von ihm, in seinen letzen sprachreflexiven Gedichtband "Hier ist das Wort" aufnehmen. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich bereits in einem manisch depressiven, durch Alkohol zerütteten Geisteszustand, der zwischen Euphorie und Ernüchterung changierte. Angesichts der heranrückenden Roten Armee wählte Weinheber schließlich den Freitod.

Bis heute exstistiert eine -scheinbar - unüberbrückbare Kluft zwischen Weinheber-GegnerInnen und Weinheber-EnthusiastInnen. Die Reduktion auf den durchaus imposanten Dichter, der selbst für Auftragsarbeiten (z.B. für einen zahnärztlichen Kongress) mehr als solide Lyrik gefertigt hat, die Fokussierung auf seine poetische und lyrische Meisterschaft, greift m.E. indes zu kurz, um dem Dichter, der gleichzeitig so viel erbärmlichen Inhalt produziert hat, in allen Facetten gerecht zu werden.

Die gesamte Rezeption des Ouvres Weinhebers (bei der die glühenden VerehreInnen dominieren) illustrieren auch die Probleme und verkrampften Auseinandersetzungen um Josef Weinheber, die natürlich mit seinem Charakter, seinem hochfahrenen Anspruch, ein Dichterfürst zu sein, mit seiner Sehnsucht nach Scheinwelten und mit seiner notorischen Grenzgängerei zwischen Nietzsche, Schopenhauer und Spengler, Christentum und Antike, aber auch mit dem Rang seiner lyrischen Dichtung, die selbst dann noch imposant war, wenn sie aus der Erhabenheit ins Lächerliche kippte ("Heurigen-Hölderlin"), in einer seltsamen, z.T. unwissenschaftlichen, ja esoterischen Pose korrespondiert.

Das Ausmaß des Dilemmas zwischen "Poeta Laureatus" (ein Bild, an dessen Entstehung und Bestand Weinheber selbst maßgeblichen Anteil hatte) und dem Dichter, der sein schöpferisches Talent weitgehend in den Dienst einer entsetzlichen, Menschen verachtenden Ideologie gestellt hat, scheint bei kaum einem Künstler so gewaltig wie bei Josef Weinheber.

Und doch: Über all die - mögliche - Wertschätzung darf nicht vergessen werden, dass sich persönliche Ethik und politische Gesinnung niemals nur in poetisierter Form genießen lässt:

Josef Weinheber war ein Sprachvirtuose, der - vielfach - politische Gemeinheiten, Entsetzlichkeiten und faschistische "Werte" hochartifiziell und künstlerisch sublim verherrlichte und der weniger die denkmalerische Verklärung als die denkende Erklärung verdient.

Dr. Manfred Bauer, Stadtbibliothek Purkersdorf


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