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Die Ersten 100 Jahre im Gemeinderat


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100 Jahre Sozialdemokraten im Purkersdorfer Gemeinderat

 Dr. Christian Matzka

rundschau, Stadtzeitung für Purkersdorf 3 (2011) 13 – 14.

 Einleitung

Im Jahre 2011 ist es einhundert Jahre her, dass erstmals drei sozialdemokratische Gemeinderäte in den Purkersdorfer Gemeinderat einzogen. Möglich wurde dies durch eine Änderung der Gemeindewahlordnung. Das Landesgesetz und Verordnungsblatt vom 9. 8. 1904, XXI. Stück, für das Erzherzogtum unter der Enns, ermöglichte einen vierten Wahlkörper, in dem alle Männer über 24 Jahren, die drei Jahre ihren Wohnsitz in der Gemeinde hatten, unabhängig davon ob sie schon in einem anderen Wahlkörper wahlberechtigt waren, das Stimmrecht bei Gemeinderatswahlen erhielten. Dies führte zu mehrmaligen Stimmabgaben von Personen, die in einer anderen Kurie schon wahlberechtigt waren.

 Die Gemeindewahlordnung

 Es handelte sich um ein sehr differenziertes und kompliziertes Wahlrecht, das die Menschen nach Grundbesitz, Steuerleistung, Einkommen, Funktion, gesellschaftliche Stellung und Einkommen in Wahlkörper einteilte.

Dabei waren die wirklich vermögenden Menschen besonders privilegiert. Gemeindemitglieder, die ein Fünftel der gesamten Grund-, Gebäude- und Erwerbssteuer der Gemeinde leisteten, waren ohne Wahl Mitglieder des Gemeinderates.

Das aktive Wahlalter war 24 Jahre. Dabei waren auch die Vertreter des Staates, des Landes, von Einrichtungen und Stiftungen, der Bildungsanstalten, der Vereine und Gesellschaften wahlberechtigt, wenn diese ein Jahr Steuern ablieferten.

Sozialhilfeempfänger (Armenversorgung), die zwei Jahre Unterstützung erhielten, waren vom Wahlrecht ausgeschlossen. Auch Personen, die sich in einem Konkursverfahren befanden, verloren in dieser Zeit ihr Wahlrecht. Strafrechtlich verurteilte Personen waren ebenso wie Personen, die Gemeindevermögen verwalteten und mit der Rechnungslegung im Verzug waren, vom Wahlrecht ausgeschlossen. Die Mitbesitzer von Realitäten hatten nur ein Stimmrecht für diese Realität. War eine Frau Mitbesitzerin, dann war der Mann wahlberechtigt. Nur wenn dieser von der Wahl ausgeschlossen war, konnte die Frau das Wahlrecht wahrnehmen. Ehegattinen wurden durch den Mann bei der Wahl vertreten. War der Mann nicht wahlberechtigt oder ausgeschlossen, dann nahm die Frau das Wahlrecht wahr.

Passiv wahlberechtigt waren alle Männer über 30 Jahren, die im Vollbesitz der bürgerlichen Rechte waren. Ausgeschlossen waren Beamte der Gemeinde, vorgesetzte Beamte der Gemeinde, aber auch Personen, die die vorgeschriebenen Abgaben nicht leisteten.

Um die Zahl der Wahlberechtigten zu ermitteln, musste eine Liste der Personen erstellt werden, die ein Jahr lang Grund-, Gebäude- und Erwerbssteuern gezahlt hatten. Die Liste musste in zwölf Teile geteilt werden. Daraus erfolgte die Einteilung in die ersten drei Wahlkörper.

Erster Wahlkörper: Ehrenbürger, Pfarrer, hohe geistliche der anerkannten Religionsgemeinschaften, Rabbiner, die ersten drei Zwölftel der Steuerzahler, hohe Beamte und Militär, Professoren der Hochschulen, Direktoren der Höheren Schulen, alle Personen, die zwei Jahre den ordentlichen Wohnsitz haben und mindestens ein Jahr direkte Steuern in der Höhe von 200 Kronen leisten.

Zweiter Wahlkörper: die nächsten gereihten vier Zwölftel der Steuerzahler, die ein Jahr den ordentlicher Wohnsitz hatten, alle Bürger, die Geistlichen der anerkannten Religionsgemeinschaften, Beamte, Doktoren von Universitäten, Technischen Hochschulen, Notare, Chirurgen, Akademiker, Privattechniker, Direktoren, Oberlehrer  und Lehrer von Volks- und Bürgerschulen, alle Männer mit zwei Jahren Wohnsitz und mindestens ein Jahr 100 Kronen Steuerleistung.

Dritter Wahlkörper: die letzten fünf Zwölftel der Steuerzahler, Unterlehrer der Volksschulen, alle Männer, die zwei Jahre Wohnsitz und ein Jahr mindestens 20 Kronen Steuern leisten.

Vierter Wahlkörper: Alle Männer, die drei Jahre ordentlichen Wohnsitz haben und vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind, ohne Rücksicht, ob sie in einem anderen Wahlkörper wahlberechtigt sind.

Es handelte sich um ein Mehrheitswahlrecht. Gewählt waren die Kandidaten, die auf sich die absolute Stimmenmehrheit verbuchen konnten. Gab es keine Mehrheiten, dann kam es zu Stichwahlen.

Der Gemeinderat wählte den Bürgermeister und den Gemeindevorstand. Der Bürgermeister und mindestens zwei Gemeinderäte bildeten den Gemeindevorstand. Es durften maximal ein Drittel der Gemeinderäte in den Gemeindevorstand gewählt werden.

Die Anzahl der Gemeinderäte war von der Bevölkerungszahl abhängig. Purkersdorf hatte über 3000 Einwohner und hatte somit 21 Gemeinderäte, die von den ersten drei Wahlkörpern gewählt wurden. Der vierte Wahlkörper, in dem das allgemeine Wahlrecht für Männer galt, wählte 3 Mandatare.

Die Funktionsperiode des Gemeinderates waren 6 Jahre.

Die Gemeinderatswahlen 1911 in Purkersdorf

Laut Volkszählung des Jahres 1910 lebten in Purkersdorf 3733 Personen. Davon erfüllten lediglich 493 Personen und Institutionen die Bedingungen gemäß der Steuerleistung in den  ersten drei Wahlkörpern wahlberechtigt zu sein. Dazu kamen noch 98 Personen, die automatisch unabhängig von der Steuerleistung wahlberechtigt waren und solche, die sonstige direkte Steuern zahlten. Alle anderen Männer konnten nur im vierten Wahlkörper wählen. Nicht einmal ein Sechstel der Bevölkerung erhielt sieben Achtel der Mandate im Gemeinderat.

Die Wahlen fanden Anfang August 1911 statt. Es begann am 8. August 1911 der vierte Wahlkörper. Den Abschluss bildeten die Wahlen zum ersten Wahlkörper am 11. August 1911. Die Gemeinde Purkersdorf ließ Namensstimmzettel für die von der Gemeinde vorgeschlagenen Kandidaten drucken. Zu den drei bürgerlichen Kandidaten kamen im vierten Wahlkörper die sozialdemokratischen Kandidaten Johann Spalt, Rudolf Hanke und Johann Kral. Die drei Sozialdemokraten wurden mit jeweils absoluter Mehrheit gewählt. Im Gedenkbuch der Gemeinde Purkersdorf findet sich folgende Eintragung: Die Purkersdorfer erfuhren zum ersten Male die seltsame Überraschung, dass in die gutbürgerliche Gemeindestube auch Vertreter der sozialdemokratischen Partei und Wählerschaft ihren Einzug hielten. Im sonst friedlichen Purkersdorf beginnt sich eine schärfere Luft zu regen, schreibt der Chronist.

Erst die allgemeinen und freien Wahlen vom 16. Februar 1919 brachte die absolute Mehrheit für die Sozialdemokraten. An diesen Verhältnissen änderte sich bis zum 12. Februar 1934 nichts. In der Zeit änderte sich Purkersdorf von einem Sommerfrische- zu einem Arbeiterort. Diese Ära des „roten Purkersdorf“ war durch eine Sozial- und Fürsorgepolitik der Gemeinde gekennzeichnet. Unterkünfte wurden geschaffen und die Gemeinde kaufte auch die Liegenschaft Wienerstraße 12 mit Hotel und Kino. Ein Höhepunkt dieser Epoche war auch die Markterhebung mit der Wienerwaldausstellung im Jahre 1930. Die innenpolitische Situation und die Kämpfe des 12. Februar 1934 brachten mit der Verhaftung von Bürgermeister Buchmüller und der Verfolgung der Sozialdemokraten das Ende der sozialdemokratischen Verwaltung in Purkersdorf.

Quellen:

Gemeindeordnung und Gemeindewahlordnung für das Erzherzogtum unter der Enns, Landesgesetz und Verordnungsblatt vom 9. 8. 1904, XXI. Stück, für das Erzherzogtum unter der Enns. In: http://alex.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?apm=0&aid=lgn&datum=19040004&seite=00000078&zoom=2   (17. 9. 2011).

Kurt Schlintner, Kleine Ortsgeschichte Purkersdorf I (Purkersdorf 1996).  

Kurt Schlintner; Stichwort Purkersdorf (Purkersdorf 2003). 

Stadtarchiv Purkersdorf, Verzeichnis der Wahlberechtigten Gemeindemitglieder in der Gemeinde Purkersdorf im Jahre 1911. 

Stadtarchiv Purkersdorf, Stimmzettel zur Gemeinderatswahl 1911.

Stadtarchiv Purkersdorf, Gedenkbuch der Gemeinde Purkersdorf, 2. Band 1848-1918.

 

 

 


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