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Regedit ? sagt am 18.07.2008 08:55 zu Gunnar ®:Erster Beitrag

Re: Atomkraftwerk flog in die Luft


Wie der Wiener Zeitung von letzten Samstag zu entnehmen war, hat Nordkorea seinen im Vorjahr stillgelegten Atomreaktor in Yongbyon in die Luft gesprengt. Damit setzte die Regierung ein Zeichen, daß es ihr in Bezug auf atomare Abrüstung sehr ernst ist.
AtomkraftbefürworterInnen kommen neuerdings immer mehr in Argumentationsnot, seit sich herumgesprochen hat, daß Reaktoren im Endeffekt mehr CO2 in die Luft blasen, als moderne Gas-Blockheizkraftwerke.
Von sauberem Atomstrom kann also wirklich nicht die Rede sein ...
Zitat: "Das Ökologieinstitut Darmstadt hat mittels GEMIS-Methode einen Gesamtwert von 25 bis 50 g CO2 pro produzierte Kilowattstunde Atomstrom ermittelt. Das ist weitaus mehr als die Gesamtbilanz für Strom aus einem modernen Gas-Blockheizkraftwerk, das auf 23 g/kWh kommt. Insbesondere auch deshalb, weil die Abwärme von Atomreaktoren energetisch so gut wie nie genutzt wird, jedoch die Atmosphäre erhitzt und derart zur Meereserwärmung beiträgt, wodurch das im Wasser gebundene CO2 rascher entweicht." (Quelle: http://www.oekonews.at/index.php?mdoc_id=1030724 )
Also wieder mal mit ruhigem Gewissen zurücklehnen und Oekostrom genießen ...
Frohsinn!

Im Prinzip erübrigt sich die gesamte Diskussion hier, weil die Nuklearanlage in Yongbyon mit Energiegewinnung ungefähr soviel zu tun hat, wie ein Porsche Cayenne mit klimaschonendem Autofahren. Bevor man also diese Thematik als Argumentationsbasis für seine Aversion gegen die Atomlobby heranzieht, bitte etwas mehr über die Hintergründe informieren. So schließen atomare AbRÜSTUNG und der Betrieb eines AKWs einander nicht aus, solange das aus dem Spaltvorgang gewonnene Plutonium in weiterer Folge nicht militärischen Zwecken zugeführt wird. Nun war es aber die einzige Motivation des nordkoreanischen Führers (und seines verstorbenen Vaters) diese Nuklearanlagen deshalb zu betreiben, um in den Besitz von waffenfähigem Plutonium zu kommen (was seit den späten 80ern auch sukzessive gelang – siehe Atomtest 2006). Die Energieversorgung wäre mit dieser Anlage ohnehin nie sichergestellt gewesen, da nicht einmal adäquat an das Stromversorgungsnetz angebunden. Einziges Ziel war es an das Abfallprodukt heranzukommen. Deshalb die Forderung der internationalen Staatengemeinschaft Yongbyon abzubauen, um Pjöngjang seine Plutonium-Quelle zu nehmen.
Auch die Ernsthaftigkeit der Nordkoreaner zur atomaren Abrüstung darf bezweifelt werden – so gibt es keine Offenlegung der eventuellen Pläne zur Urananreicherung seit 2002, der Verbleib des bislang gewonnen Plutoniums ist unklar, die Entwicklung von Langstreckenraketen mit der Fähigkeit einen atomaren Sprengkopf zu transportieren wurde bislang nicht eingestellt, etc. etc. Die Stilllegung der Nuklearanlage in Yongbyon geht an sich zurück auf ein Abkommen im Februar 2007, in dem sich die nordkoreanische Regierung (völkerrechtlich nicht verbindlich) dazu verpflichtete seine Atomanlage stillzulegen, wenn das in jeder Hinsicht dahinsiechende Land dafür im Gegenzug umfangreiche wirtschaftliche und finanzielle Hilfe erhält (Aufhebung von US-Sanktionen etc.). Im Prinzip also ein Tauschhandel mit dem primären Ziel die Regimeerhaltung zu sichern und in weiterer Folge die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sicher zu stellen.
Es gab insgesamt viele Gründe für die Sprengung des Yongbyon – Reaktors. Ein Bekenntnis zu einem neuen „Öko-Trip“ oder der Beitrag zur Luftverbesserung zählten sicher nicht dazu! Bevor jemand den Argumentationsfaden verliert: ich bin ebenfalls gegen die Stromgewinnung aus AKWs, aber die Nordkorea-Thematik ist eine sicherheits- und keine umweltpolitische.
Ein angenehmes Wochenende!

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