Purkersdorf Forum Archiv 2002
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Gabriele Scholz ? sagt am 04.07.2002 13:37 zu Karl Berger ®:Erster Beitrag

Re: Schulnoten-Meinungsbild


Lieber Karl,
ich glaube, daß wir beide sehr unterschiedliche Erfahrungen mit Schule und Noten gemacht haben. Ich finde es zum Beispiel nett, wenn ich Fragen bei der Millionenshow beantworten kann, auch wenn das Wissen, daß das Lanzettfischchen eine Corda dorsalis hat, mich vermutlich im Leben nicht weitergebracht hat (hätte mir aber in der Millionenshow 1,2 Mio ATS beschert). Ich habe leider auch schon vieles vergessen, was ich in der Schule an Fakten gelernt habe, ich habe aber nicht das Gefühl, daß sie mein Gehirn verstopfen - üblicherweise ist das Gehirn nicht ausgelastet - wie würde sich sonst erklären, daß man in Notzeiten unglaubliche Reserven mobilisieren kann ("Not macht erfinderisch" hat ja damit zu tun, daß man ungenutzte Ressourcen aktiviert)?
Warum soll man eine punktuelle Leistung nicht beurteilen? Jede Leistung wird irgendwann beurteilt und wenn es durch die Anzahl der verkauften CDs eines Interpreten geschieht. Ich halte es für sehr wichtig, möglichst viel auf möglichst vielen Gebieten zu wissen, damit man überhaupt erst beurteilen kann, ob einen ein Gebiet interessiert und damit man flexibel ist. Was nützt es, wenn man eine Fähigkeit erworben hat, die haargenau den Interessen entspricht, von der man aber nicht leben kann?
Wenn die Schule nur auf die Bedürfnisse der Wirtschaft abzielt, wieso jammert dann die Wirtschaft, daß die falschen Inhalte in der Ausbildung gelehrt werden? Daß die Schüler für den "kapitalistischen Verwertungsprozeß" herangezüchtet werden, stimmt vielleicht für einen kleinen Teil. Das sind aber Menschen, die sich für die Firma aufopfern und die sowieso als Workaholics enden - die den Kick durch die Arbeit bekommen, weil sie kein eigenes Leben und keine eigenen Interessen haben. Ich glaube nicht, daß man diese Spinner zuvor hätte retten können. Für die Masse gilt, daß sie eine Arbeit annehmen müssen, die am Markt angeboten wird und die nicht genau ihren Interessen entspricht - ganz einfach, weil sie von etwas leben müssen. Dazu brauchen sie eine möglichst umfangreiche Ausbildung und die Energie, den Job durchzuhalten. Das ist leider kein klassenkämpferischer Ansatz (der wäre mir auch lieber) aber dafür ein pragmatischer.
Wie kann partnerschaftlicher Unterricht funktionieren? Partner müssen gleichgestellt sein, nicht durch Alter und Wissen dermaßen getrennt wie Lehrer und Schüler. Ich bin wirklich der Ansicht, daß wir Kinder mit solchen Anforderungen überfordern.
Liebe Grüße Gabi
P.S. Ich kann auch nicht mehr Wurzel ziehen. Ich bin aber trotzdem erschüttert, wenn in der Millionenshow jemand nicht weiß, daß 25 % einem Viertel entsprechen (die Kandidatin hätte auf "ein Drittel" getippt).

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