Purkersdorf Online

Gedichte von Anton Wildgans


Stadtmuseum

H O M E

Purkersdorf 1967-2007 in Bildern

Stichwort Purkersdorf 2003

Festschrift 50 Jahre Stadt Purkersdorf

Allgemeines

Hildegard JONE Symposium 2013

Postkutsche

40 Jahre Stadterhebung

Berichte aus dem Stadtmuseum

Ehrenkustos Johann Wohlmuth 1924 - 2007

Forschungen aus dem Stadtmuseum

Hintergrundinfo

English

Gedichte von Anton Wildgans mit Bezug zu Purkersdorf –Unter Tullnerbach 

Phantastische Nacht

In der Mansarde zu Untertullnerbach 1913

Ein Fragment

Wenn ich, von meinen Geistern überwältigt,

Tiefnachts den Blick ins Licht der Kerze hebe,

Verdichtet sich um mich, vertausendfältigt

Geräusch der Stille sich, daß ich erbebe.

Aus der vertraut-gewöhnlichen Kontur

Entwachsen die entferntern Gegenstände,

Ins Körperlose wandeln sich die Wände,

Unheimlich tickt die kleine Taschenuhr,

Als zöge draußen seiner Schritte Kreis

Einer um mich, der meiner Stunde weiß.

Ja, Stunde du, die wie ein Purpurtor

Am Ende dieses grauen Weges kluftet! –

War dies ein Schluchzen? Oder saust mein Ohr? –

ist dies die Linde draußen, die so duftet?

Oder sind Kränze nahe aufgeschichtet?

Ist diese Kerze, die mich mild belichtet,

Die erste, die schon brennt? Und sind die andern

Noch nicht entzündet oder schon verbrannt?

Pulst noch das Blut in dieser meiner Hand?

Verweil’ ich hier noch? Bin ich schon im Wandern?

So atmest du am Rand der Ewigkeit,

Die ihrer Fluten kühle Schauer sendet.

Dann wieder ist’s, als stünde rings die Zeit

Um dich in Erz gegossen! Und geblendet

Senkst du den Blick vor so viel Stillestand

Und bist von einem großen Glück versteint;

Oder dich dünkt, daß einer, den du einst gekannt,

Der deine Züge trägt, im letzten Zimmer weint –

Ganz fern im letzten Zimmer, wo vielleicht

Einer vor ihm liegt, den der Tod gebleicht...

Und bist dir nie so fremd wie in den Stunden,

Da dich das Überirdische berührt.

Da ist ein Irgendwas aus dir entbunden,

Das dich mit Flügelkraft dir selbst entführt.

In Schwere hilflos haftest du am Staube,

Indes dein heiliger Geist, die leichte Taube,

In Unerreichbarkeiten flügge wird.

Du blickst ihm nach und kannst es nicht erfassen,

Daß er, aus deines Alltags Ich entlassen,

Nach eigenen Gesetzen psalmodiert.

Oder bist du’s? Ist es dein eigen Planen,

Wenn aus der Wirrnis banger Brust empor

Von niegehörten Klängen dich ein Ahnen

Umwittert und umrauscht wie Geisterchor?

Sind’s deine Töne, die zum Lied sich sammeln?

Sinds deine Worte, die wie Fieberstammeln

Von deinen Lippen stürzen in die Hand,

Die zitternd sie mit treuen Federstrichen,

Freilich gedämpft, verschwommen und verblichen,

In die Vergänglichkeit des Stoffes bannt?...

Und dieses ist der Fluch, der auf uns lastet:

All unser Wirken mündet ins Entfernte.

Zum schweren Säen, nicht zu froher Ernte

Reicht unsre Kraft, wenn sie auch niemals rastet.

Wir setzen an den Weg, der uns bestimmt,

Den Meilenstein mit unsres Namens Kerben;

Doch wenn kein Zweiter unsre Straße nimmt,

So bleiben wir auf ewig ohne Erben,

Und weggewaschen wie ein Kreidestrich

Ist dies unendliche, dies arme Ich.

O dies Vergehen! Loos der Allzuvielen,

Die aus dem ewig-schwangern Schoße wimmeln!

Dumpfes Gelichter, das für Schweiß und Schwielen

Ein Leben fristet! Leben? Ein Verschimmeln

Ist ihnen Dasein, ein Zusammennisten

Von Wust und Unrat für den großen Räumer

Der Weltkloake, die nicht auszumisten!

Nur hie und da darin ein trüber Träumer,

Ein weggeworfnes Stückchen Spiegel, das

Den Himmel spiegelte in seinem Glas.

Nur spiegelte, nicht etwa wiederschuf!

Das Licht in seine Farben zwar zerstreute,

Jedoch kein Herz bestürzte und erfreute –

Ein Gaukler nur, Prophet auf Widerruf,

Dem vor der eignen losen Weisheit graut!

Eben nur Scherbe, blind und abgehaut

Von einem Ganzen! Einst vielleicht geschaffen

Und vorbestimmt zu eines Ewigen Gefäß,

Nun Firlefanz geworden einem Affen,

Daß er darin begrinse sein Gesäß...

Wer gibt, daß du nicht einer bist von diesen,

Gewähr dir? Was ist schon getan, vollbracht?

der Zeiten Tor springt auf, und Riesen

Stehn hoh vor dir in Geistesübermacht.

Und hatten auch in ihren fernen Tagen

Mitgeister viele, doch wo sind sie hin?

Kommt erst die große Flut, so leuchten, ragen

Nur mehr die Türm’ und Berge drüberhin,

Und alles andre, ob Palast, ob Hütte,

Sank in der Wasser ebnendes Geschütte...

Am Bahndamm unten läutet ein Signal,

Dreimal drei Schläge! – Wieder tiefe Stille.

Doch nun ein Brausen, und mit einemmal

Um Waldes Biegung nieder in das Tal

Ein Riesenwurm mit greller Feuerbrille!

Aus Eisennüstern Gischt und Purpurstrahl,

Ein jubelnd stürmender Gigantenwille,

Von Raum und Zeit, von Schwere und vom Fall

Die ewigen Gesetze aufzuheben –

Und Menschen lenken ihn! Das ist das Leben!!

Und du, in Daches modrigem Gebälk,

Du Grübler über unverbürgte Dinge,

Wirst unter Büchern und Papieren welk

Und schließest dich aus dem bewegten Ringe,

In dem der Menschen kühnes Wirken kreist!

Sei auf der Hut, daß es von dir nicht heißt:

Er ließ in Angst, den Geist nicht zu verlungern,

Der Sinne frohen Hunger ungespeist

Und so, ein unfruchtbarer Narr, den Geist

An Lebens rings gedecktem Tisch verhungern!

 

Und dann war Sommer

Und dann war Sommer – Ganz in Wiesen stand

Das weiße Haus, umschmiegt von Rosenranken.

Von tiefem Summen zitterte das Land.

Bis zu der Wälder schattenblauen Flanken,

Indessen Wind den gärend-hellen Brand

Reifender Saaten kühlte und von schwanken

Wispernden Rispen warme Wölkchen sträubte

Fruchtbaren Duftes, welcher fast betäubte.

O Himmel über uns, zerfließender Opal –

Im Grase liegen, wie auf einer Zille

Dahingetragen, und nur manches Mal

Aufschaun, wenn wolkenfern der weh und schrille

Schrei kreisender Bussarde, fein wie Stahl,

Ein Äderchen der schläfernd-süßen Stille

Durchschneidet – und aus Träumen sich besinnen,

Daß uns kein Strom, kein Nachen trug von hinnen.

Und wandern, wenn die Wälder müde sind

Und, sickernd durch der Wipfel dunkle Bauschen,

Das rote Gold die Stämme niederrinnt,

Mit jedem Schritt versinken in das Rauschen

Gehäuften Laubes, wie ein ängstlich Kind

Plötzlich erschauern und ein Wild belauschen,

Die sanfte Tierheit solchen stummen Wesens

Wie Lust verspürend nahenden Genesens.

Dann, durch den blauen Rauch der Wiesen hin,

Schritten wir still zu unserm Haus in Rosen.

Die Gräser bogen sich vor unsern Knien,

Und deiner liebevollen Hände Kosen

Glitt über ihre kühlen Spitzen hin,

Indessen letztes Licht sich in die losen

Spielenden Falten weißen Kleides schmiegte

Und in dem Dämmer um dein Haupt versiegte.

Und schlafen gehen – Worte voller Duft

Von aufgelösten blonden Frauenhaaren,

Trunken von Mondenlicht und Abendluft,

Die kühl und geisternd drin gefangen waren –

O schlafen gehen – Worte voller Duft

Weicher Gewirke, die von zarten, klaren

Belebten Schultern zögernd niederflossen,

Noch voll der Wärme, welche sie umschlossen.

In dies Gelöstsein, diese Müdigkeit

Wohlig erschöpfter und durchsonnter Glieder

Stieß nie der Sinne jähe Lüsternheit

Wie eines Geiers grelle Gier hernieder.

Wir waren keusch wie Tiere, deren Zeit

Noch nicht gekommen, und wie Kinder wieder,

Indessen über Hügeln fern herüber

Der Schein der Stadt erglühte, rot wie Fieber.

http://www.sonett-archiv.de/vz/Wildgans/index.html

 Lilli Wildgans,  S. 72

 Herbst und Ende

Oh, sei nicht traurig, weine nicht, mein Kind,

Und laß uns scheiden, ohne es zu müssen.

Zwei Schmetterlinge nahm der Frühlingswind

Auf seine Schwingen, daß sie satt sich küssen.

Und jetzt ist Herbst. In allen Gärten sind

Die Äste schwer von süßen Überflüssen,

Und auf den Hügeln böllern die Salute

Dem schäumenden rotgoldnen Traubenblute.

In dieser üppigen Erfüllung Zeit

Mag auch die Liebe ihre Ernte tragen.

So laß uns stark und ohne Bitterkeit

Den letzten langen Kuß des Abschieds wagen

Und weise sein, eh unser Herz verschneit

Und Mühsamkeiten es wie Frost zernagen.

Die Frucht ersehnt, daß sie gebrochen werde,

Das Müdgelebte fault und wird Gebärde.

Noch wittert der Verwesung herber Duft

Nur leise mahnend, ohne zu zerstören.

Und in den Nächten wiegt sich noch die Luft

Klingend genug, die Sinne zu betören,

Indessen mächtig durch die Wälder ruft

Brünstiger Hirsche aufgeregtes Röhren.

Zu dieses Urlauts großem Orgeldröhnen

Ziemen nur Worte, welche freudig tönen.

So weine nicht, du blühendes Geschmeid,

Das ich um meine Einsamkeit gewunden.

Du bist so jung, für dich ist noch das Leid

Die Arzenei, um tiefer zu gesunden,

Und dieses Leben noch ein köstlich Kleid,

Leuchtend von Perlen ungelebter Stunden –

Ich muß die kommenden bedächtig nützen,

Um die gelebten dauernd zu besitzen.

Doch du wirst jung sein – Immer wieder wird

Zu dir der Frühling von den Hängen steigen.

Und immer wieder wird dein Haar verwirrt

Vom Tanze sein und von dem Rausch der Geigen.

Ich aber will, von keinem Reiz beirrt,

Mich tiefer in die eigne Seele neigen

Und alles Ewige aus unsern Liebesnächten

Wie rote Rosen in mein Lied verflechten...

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Der Herbst verging. Wir hatten beide nicht

Die Kraft, das süße Labsal abzusetzen.

Da ward das Leben uns ein schal Gericht,

Was Freude war, kalt-sinnliches Ergetzen.

Erst nahmen wir die Maske vors Gesicht,

Nicht sehen wollend, bis auch die in Fetzen

Zerfiel. – Wir haben nie aus diesen Stunden

In unsere Liebe wieder heimgefunden

 
Lilli Wildgans, S. 76


AnfangZum Anfang der Seite
Letzte Änderung: 2010-03-15 - Stichwort - Sitemap

[#]