Purkersdorf Online

Verkehrslärm


Muss Mobilität gleich Belästigung sein?

Ein Blick ins Diskussionsforum von Purkersdorf-Online zeigt, wie sehr Menschen in Purkersdorf den Verkehrslärm als Einschränkung der Lebensqualität erleben: ob Autolärm in der Rechenfeldstraße, entlang der Tullnerbachstraße und der Wienerstraße und nicht zuletzt der Zugsverkehr entlang der Westbahn.

Viele PurkersdorferInnen sind Stadtflüchtlinge. Sie zogen die Wienerwaldumgebung dem Ballungszentrum vor, suchten Ruhe und Grün. Je mehr Menschen nun diesen Schritt setzen, in der Metropole zu arbeiten und in der Umgebung der Großstadt zu leben, desto mehr kommt der Verkehr auch ins Umland. Wie die Gesellschaft diesen Verkehrsbedarf organisiert, hängt von der Lösungskompetenz und –bereitschaft der Politik ab.

Die Forderung nach einer ressourcen- und umweltschonenden Verkehrspolitik muss die Politik leiten, doch die betroffenen AnrainerInnen können nicht auf die Eindämmung der Lärmbelästigung warten, bis zukunftsweisende Verkehrslösungen wirksam werden. Stadt und Region können mit ihrem bescheidenen Handlungsspielraum durchaus so manch eine Lärmquelle einschränken. Auch Initiative einzelner Betroffenen haben schon Erfolge gezeitigt.

Der Bahnlärm

Die Eisenbahn ist sicher ein Sonderfall, weil sie Teil der Lösung ist. Eine moderne Gesellschaft braucht Mobilität, und auf die Eisenbahnen warten da große Aufgaben. Als Lärmquelle ist sie auch Teil des Problems.

Die in Bau befindliche Westbahntrasse durch das Tullnerfeld wird frühestens in fünf bis sechs Jahren einen großen Teil des Fernverkehrs aufnehmen und damit den Wienerwald beträchtlich entlasten. Doch schon im Laufe des kommenden Jahres soll im Purkersdorfer Gemeindegebiet die Westbahntrasse mit Lärmschutzwänden ausgestattet werden. Dieses Vorhaben wird tausende PurkersdorferInnen akustisch beträchtlich entlasten.

Es ist daher von der Liste Baum seit vielen Jahren gefordert und (mit)initiiert worden, und die LIB-Verkehrsstadträtin Marga Schmidl forciert und unterstützt dieses Bauvorhaben vorbehaltlos. Hier zeichnet sich eine spürbare Entlastung ab, ein bisschen Geduld müssen wir dazu noch aufbringen.

Die Bundesstraße

Tullnerbachstraße und Wiener Straße verlaufen parallel zur Autobahn. Autobahnsperren wie am 14. Juli 2004 sind nicht die Regel. Doch auffällig und ständig zugenommen hat der LKW-Verkehr seit Einführung der LKW-Maut auf der Autobahn. Viele Frächter sehen darin eine billige Ausweichroute. Diese Mautflucht ist eine Belästigung der AnrainerInnen, sie muss und kann seitens der Politik rasch und wirksam eingedämmt werden. Kurzfristig kann diesem Missstand mit Fahrverboten begegnet werden, längerfristig ist die Bemautung von LKWs auf allen Straßen eine Abhilfe und eine sinnvolle Maßnahme obendrein.

Der generellen Verkehrszunahme kann die Politik nur mit einem Ausbau und einer Verdichtung des öffentlichen Verkehrsangebotes begegnen. Wenn tausende Menschen allmorgendlich Motoren anwerfen und mehr als eine Tonne Stahl in Bewegung setzen – und das nur, um ihren Körper in die Stadt zu transportieren, so ist das ökologische und das Verkehrsdesaster vorprogrammiert. Für manche gibt es kaum Alternativen zum Auto. Für viele Autopendler ist es schlicht eine Frage der Bequemlichkeit. Ob öffentliche Gelder zur Verbesserung und zum Ausbau des Straßennetzes oder zur Attraktivierung von Schiene und Bus herangezogen werden, darüber entscheidet die Politik und letztlich die WählerInnen.

Mitten in der augenscheinlichen Verkehrszunahme gibt es auch positive Entwicklungen und Beispiele. Vor zwei Jahren wurde über die private Initiative von Fr. Klinser im Ortsgebiet von Neupurkersdorf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h aufgehoben. Nach anfänglichen Akzeptanzproblemen kann man heute von einer win-win-Situation sprechen. Auch wenn viele heute 60 fahren (wo sie früher 80 oder 100 fuhren), hat das zu einer Beruhigung geführt. In einem Ortsgebiet mit so vielen Kreuzungen, Ein- und Ausfahrten, Haltestellen und Fußgängerübergängen hat die Geschwindigkeitsverminderung enorm zur Steigerung eines flüssigen Verkehrsgeschehens beigetragen. Die daraus resultierende Zunahme der Sicherheit kommt allen zugute: den AutofahrerInnen ebenso wie den Fußgängerinnen und RadfahrerInnen.

Und wenn die Autofahrt von Neupurkersdorf nach Wien sich aus Sicherheitsgründen um eine halbe Minute verlängert, wäre das ein Argument für den Umstieg auf die Eisenbahn.

Eine Geschwindigkeitsverminderung könnte unmittelbar auch in der stark belasteten Wiener Straße zu bescheidenen Erleichterungen führen. Auch bauliche Maßnahmen, wie sie von einer Bürgerinitiative gefordert und im Purkersdorfer Verkehrskonzept dann festgeschrieben wurden, können eine Lärmverminderung bewirken.

Eine Umwidmung der rechten Fahrspur auf eine Busspur könnte schnell Akzente setzen, den öffentlichen Verkehr zu beschleunigen und den privaten einzudämmen. Wenn in Zukunft der neue Bahnhof Purkersdorf direkt neben dem Hauptplatz und über der B1 in Betrieb sein und dichte Verkehrsintervalle nach Wien anbieten sollte, dann möchte ich doch sehen, ob nicht die meisten AutofahrerInnen – aus Bequemlichkeit – umsteigen. Als Nahverkehrsdrehscheibe muss auch die Zufahrt mit Bussen bequem und verlässlich funktionieren.

Rechenfeldstraße

Die Klagen von AnrainerInnen über die Zunahme des Durchzugsverkehrs bauen auch auf der beliebten Unterscheidung zwischen dem Heimischen und dem Fremden, dem feindlichen Transitverkehr und dem notwendigen Anliegerverkehr. Eine Autofahrt aus der Baunzen nach Tullnerbach kürzt sich durch die Rechenfeldstraße in der Tat um 50 Meter und eine Ampel ab.

Ein Durchfahrtsverbot existiert, auch dessen rigorose Überwachung wird wenig bewirken, weil diese Transitreisenden gering an Zahl sind. Die Quelle der Belästigung ist der motorisierte Verkehr, das Gros kommt aus dieser Straße selbst oder fährt in sie. Eine Maßnahme gegen Autolärm kann nur wirksam sein, wenn sie auch die AnrainerInnen trifft, also jeden motorisierten Verkehr.

Zum Glück verfügen wir über Beispiele, wie in Wohngebieten erfolgreich die Verkehrsbelästigung reduziert wurde. Eine 30 km/h-Beschränkung hat sich mittlerweile in weiten Bereichen städtischer Wohnsiedlungen durchgesetzt. In Graz gilt dieses Limit seit einem Jahrzehnt generell abseits der Vorrangstraßen. Wenn so ein Limit auch nur vereinzelt verhöhnt wird, macht das den Menschen Ärger, weil es eine Belästigung darstellt.

In der benachbarten Speichbergsiedlung ist so eine Beschränkung kombiniert mit Schwellen. So eine bauliche Maßnahme wirkt, sie erhöht die Akzeptanz einer Beschränkung ungemein.


Umstritten, weil wirksam: die Schwelle am Sagberg
Auch vom Sagberg weiß ich aus eigener Anschauung über die positive Wirkung einer Schwelle zu berichten. Die Initiative zum Bau ging von einer besorgten Mutter aus. Nach anfänglichen Anfeindungen und Aufstandsdrohungen haben sich die Gemüter wieder abgekühlt. Vor Ort hat die Schwelle die durchschnittliche Geschwindigkeit auf die Hälfte reduziert. Und weil die Schwelle auch an der Schwelle zur Sagbergsiedlung gelegen ist, als Einfahrtstor ins Wohngebiet fungiert, reicht ihre Wirkung weit über den unmittelbaren Wirkungsbereich hinaus. Ein generelles Limit von 30 km/h in diesem Bereich könnte zusätzlich das Anbremsen und anschließende Beschleunigen verhindern.

Gemächlich dahin gleitende Autos, frei von aggressiven Brems- und Beschleunigungsmanövern bei klarer Akzeptanz des Vorrangs von FußgängerInnen, RadfahrerInnen und spielenden Kindern, das schwebt mir als Leitbild einer friedlichen Koexistenz von Mensch und Auto in Wohngebieten vor.

Christian Schlagitweit

Mag. Christian Schlagitweit wohnt am Sagberg und nimmt das Privileg in Anspruch, hier in Purkersdorf in einem idyllischen Ambiente zu leben und in Wien seiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Er ist Fußgeher, Radfahrer, Autofahrer und reger Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel.