Purkersdorf Online

Ökovolontariat Südamerika


Reisen einmal anders

"Erforschung der amerikanischen Flussotter - Brasilien"
August 2002

Bericht von Susanne Wallner, Purkersdorf

Ein "Urlaub" der etwas anderen Art: Mitarbeiten an ökologischen Projekten, verstreut auf der ganzen Welt. Arbeiten in einem internationalen Team an einer gemeinsamen Sache.

Ich habe die Flussotter im Süden Brasiliens, Santa Catarina State, Florianopolis, gewählt, um beim ersten Einsatz dieser Art moderate Umweltbedingungen zu haben: z. B. ein für mich als Europäer angenehmes Klima (im August herrscht im Süden Brasiliens Winter mit Temperaturen zwischen 12 und 26° C), keine Plage durch Malaria übertragende Moskitos, nicht allzu große Abgeschiedenheit im Urwald z. B.

Diese Erwartungen haben sich erfüllt und bewährt.
Dr. Junior Carvalhos, der das Projekt mit Unterstützung der Univali in Itajai ins Leben gerufen hatte, stellte uns sein Landhaus direkt am Projektort, dem Peri-See (Lagoa do Peri) zur Verfügung mit Versorgung durch einheimisches, frisch gekochtes Essen und sonstigen Annehmlichkeiten ...

Ich war immer an der Natur interessiert und vor allem an der Vielfalt der Tierwelt. Aber eine Ahnung über die wahrhaftige Arbeit eines Feldforschers hatte ich nicht - oder ich hatte noch nicht darüber nachgedacht.
Aufgaben wie "... your activities will vary and include analysis of the otter´s frequency at the shelters, monitoring of nests ... most your work is fieldwork ... ", welche im Beschreibungsbogen des Projekts im Internet zu finden waren, sagen aus, dass die Arbeit nicht langweilig ist, dass wir die Otterplätze besuchen und beobachten und viel in der freien Natur unterwegs sind.

Ein tatsächliches Tagesprotokoll sieht dann folgenermaßen aus: es nieselt. Der Himmel ist grau, das Wetter scheint sich tagsüber nicht zu bessern. Es ist 6 h früh und wir (die drei Ökovolontarier) brechen auf "Trail 1" (einer der zu benützenden Wanderwege) auf zum "Tucano um" (Tukan 1, ein Beobachtungsplatz für Otter), um dort die nächsten 2,5 Stunden bis Sonnenaufgang zu verbringen. Der Weg führt uns über glitschige Felsbrocken und Laub (Atlantischer Regenwald). Dann sitzen wir auf einem großen Stein, teilweise ohne Rückenlehne, vermummt unter unseren Regenponchos, und schauen übers Wasser. Ich finde zwar eine schiefe Rückenlehne in Form eines unebenen, mit Strauch bewachsenen Felsen und freue mich, meine Sitzhaltung variieren zu können. Eine Stunde lang bleibt der See ruhig, dann heben sich Wellen, welche sogar unseren erhöhten Ausguck belecken. Wir verlassen unseren Platz und begeben uns zum Frühstück.
In ein kleines Büchlein werden unsere Ergebnisse eingetragen: "... rainy day, some waves, NO OTTERS ...".
Nach dem Frühstück erscheint Dr. Carvalhos und packt uns alle 3 auf seinen Pick Up, um am nahegelegenen Strand "Praia das Pedras" Wale zu beobachten, welche in der Brütsaison mit ihren Kälbern zum Greifen nahe an den Küsten spielen. Ein herrliches Schauspiel.
Dann ein Anruf am Handy, ein Otter sei nahe einem Restaurant in Lagoa do Concecao gesichtet worden ... Dr. Carvalhos fährt nicht hin; zu oft solcherlei Hinweise und dann sind die Otter meilenweit unsichtbar ...
Lunch.
Danach schleppen wir die Kajaks zum See hinunter, bewaffnen uns mit Schwimmwesten und mit kurzen Hosen bei 20° C, noch immer leichtem Nieseln, stechen wir in See zu Tucano 2 und Tucano 3, den weiter entlegeneren Beobachtungsplätzen der Otter. 1 Stunde paddeln wir zum ersten Platz, legen an und wandern zum nahen Wasserfall. Wunderschön. Wir beobachten Kolibris, Geier etc., passieren einsame Wohnstätten von Fischern, welche ohne Strom leben und Fließwasser durch den Wasserfall erhalten.
Dann fahren wir weiter entlang der Küste und beäugen genau alle Felsen, denn sie könnten Exkremente der Otter aufweisen. Diese sammeln wir ein, lassen sie trocknen und selektieren die Fischschuppen, Lobsterteilchen und Vogelfedern (!). Diese werden unter dem Mikroskop nach Art und Jahr (Fischschuppen enthalten Jahresringe wie die Bäume beispielsweise) geordnet; Dr. Carvalhos trägt die Ergebnisse im PC ein.
Am dritten Beobachtungspunkt sitzen wir 2 Stunden und observieren ... Ein wenig lugt die Sonne hervor... ich spüre schon jetzt, wie meine Rückenmuskel gegen das unbequeme Sitzen am Morgen rebellieren ... ich kann mich kaum strecken. Aber noch liegen 1,5 Stunden Rückfahrt im Kajak vor uns. Die Kajaks sind rund um den Einstieg nicht bedeckt, so tropft ständig nicht gerade zu warmes Wasser auf die Oberschenkel ...
Bei Einbruch der Dunkelheit (18 h) sind wir "zuhause", tragen die Kajaks wieder hoch in den Garten und entspannen.

Dies sind die immer wiederkehrenden Details in unserer Arbeit. Einmal im Monat gibt es die "48 Stunden", welche meist zu Vollmond durchgeführt werden. Alle 6 Stunden patroulliert man zu den Wohnstätten der Otter; misst die Temperatur von Luft, Wasser und Wohnbereich. Dadurch ist die Chance wesentlich erhöht, ein Otter in seinem Lebenswandel gerade verpasst zu haben bzw. noch genauere Einzelheiten zu erfahren.
Wir messen auch das Schilf am Rande des Sees; in der Breite und mit GPS. Es beeinflusst eine gewisse Fischart, die eine Hauptnahrungsquelle der Otter darstellt.
Weiters fahren wir z. B. nach Borto Belo Island, wo eine weitere Otterkolonie lebt, die auch von Dr. C. betreut wird. Oder wir fahren nach Morros dos Macacos, wo 2 Männer im Auftrag des Projekts ihre Pension in einer Holzhütte ohne Strom und Fließwasser am nahen "Otter"-Fluss verbringen und nebenbei Kräuter anpflanzen ...

Das Otterprojekt am Peri-See ist in ein großflächiges Öko-Projekt eingebettet. Es ist zu klären, warum sich die Otterpopulation so sehr verringert hat. Die Hauptnahrungsquelle, eine kleine Fischart, muss zum Laichen durch den Kanal zum offenen Meer schwimmen und wieder zurück gelangen. Schaffen das die Fische? Oder ist Umweltverschmutzung daran schuld, dass nur wenige zurück kehren können? Der Kanal wurde mit sogenannten "Aufstiegshilfen" (befestigten Steinen im Flussbett) versehen, um den Fischen den Rückweg zu erleichtern. Aber es muss parallel dazu die Trinkwasserversorgung der nahen Bevölkerung gesichert sein, welche den Wasserspiegel verändert usw. Eine Menge von Parametern, die es beim eigentlichen Otterprojekt zu berücksichtigen und zu erforschen gilt.
Es wird auch pädagogische Arbeit in den nahen Schulen gemacht, um das Umweltbewusstsein der jungen Brasilianer zu stärken.

Es ist eine langsame, mühevolle Arbeit aus vielen kleinen und großen Bausteinen; mit vielen Mitarbeitern an verschiedenen Orten. Jedes Detail kann wichtig sein.
Im Lauf des Jahres 2003 möchte Dr. C. ein Otterpärchen in einem Becken in seinem Garten ansiedeln, um diese zu züchten. Eine konkretere Form der Vermehrung ist derzeit (noch) nicht möglich.

Für Information über die Organisation und weitere Projekte:
http://www.ecovolunteer.org


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