Advent, Advent, ein Lichtlein brennt...?
Was an einem Adventsonntag alles passieren kann, wenn man mit einer Kerze
nicht zufrieden ist zeigt uns die Geschichte einer Reihenhaussiedlung in
Purkersdorf!
- Sonntag, 1. Advent 10.00 Uhr:
- In der Nähe des Freibades läßt sich die Rentnerin Erna B. durch ihren Enkel
Norbert drei Elektrokerzen auf der Fensterbank ihres Wohnzimmers
installieren. Vorweihnachtliche Stimmung breitet sich aus, die Freude ist
groß.
- 10 Uhr 14:
- Beim Entleeren des Mistkübels beobachtet Nachbar Karl K. die provokante
Weihnachtsoffensive im Nebenhaus und kontert umgehend mit der Aufstellung
des zehnarmigen dänischen Kerzensets zu je 15 Watt im Küchenfenster. Stunden
später erstrahlt die gesamte Siedlung im besinnlichen Glanz von 134
Fensterdekorationen.
- 19 Uhr 03:
- Im 8 km entfernten Umspannwerk Wien Auhof registriert der wachhabende
Ingenieur irrtümlich einen Defekt der Strommeßgeräte für den Bereich
Wien-West, ist aber zunächst arglos.
- 20 Uhr 17:
- Den Eheleuten Peter und Andrea G. gelingt der Anschluß einer Kettenschaltung
von 96 Halogen-Filmleuchten durch sämtliche Bäume ihres Obstgartens ans
Drehstromnetz. Teile der heimischen Vogelwelt beginnen verwirrt mit dem
Nestbau.
- 20 Uhr 56:
- Der Lokalbesitzer Nikolaus N. sieht sich genötigt, seinerseits einen Teil
zur vorweihnachtlichen Stimmung beizutragen und montiert auf dem Flachdach
seines Bungalows das Laseresemble Metropolis, das zu den leistungsstärksten
Europas zählt. Die 40m Fassade der angrenzenden Kirche hält dem Dauerfeuer
der Nikolausprojektion mehrere Minuten stand, bevor sie mit einem häßlichen
Geräusch zerbröckelt.
- 21 Uhr 30:
- Im Trubel einer Punschfeier im Umspannwerk Wien Auhof verhallt das
Alarmsignal aus Schaltwarte 5.
- 21 Uhr 50:
- Der 85jährige Kriegsveteran August R. zaubert mit 190 Flakscheinwerfern des
Typs Varta Volkssturm den Stern von Bethlehem an die tiefhängende
Wolkendecke.
- 22 Uhr 12:
- Eine Gruppe asiatischer Geschäftsleute mit leichtem Gepäck und sommerlicher
Bekleidung irrt verängstigt durch die Purkersdorf. Zuvor war eine Boing 747
der Singapur Airlines mit dem Ziel Sidney versehentlich in der mit 3000
bunten Neonröhren gepflasterten Parkplatzzufahrt beim Billa gelandet.
- 22 Uhr 37:
- Die NASA Raumsonde Voyager 7 funkt vom Rande der Milchstraße Bilder einer
angeblichen Supernova auf der nördlichen Erdhalbkugel. Die Experten in
Houston sind ratlos.
- 22 Uhr 50:
- Ein leichtes Beben erschüttert die Umgebung des Umspannwerkes Wien Auhof,
der gesamte Komplex mit seinen 30 Mittelspannungsschaltern läuft mit 350
Megawatt brüllend jenseits der Belastungsgrenze.
- 23 Uhr 06:
- In der taghell erleuchteten Siedlung erwacht Studentin Bettina U. und freut
sich irrtümlich über den sonnigen Dezembermorgen. Um genau 23 Uhr 12
betätigt sie den Schalter ihrer Kaffeemaschine.
- 23 Uhr 12 und 14 Sekunden:
- In die plötzliche Dunkelheit des gesamten Raumes Wien West bricht die
Explosion des Umspannwerkes Wien Auhof wie Donnerhall. Durch die
stockfinsteren Ortschaften irren verwirrte Menschen, Menschen wie du und
ich, denen eine Kerze auf dem Adventskranz nicht genug war.
Christoph Auböck