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Josef Weinheber - relativierende Klarstellungen


Josef Weinheber - relativierende Klarstellungen zu "Dichterfürst und NS-Poet" von Dr. Manfred Bauer

Weinheber und sein Lebensweg (selektiv) im Schatten der NS-Zeit

Der Dichter trat 1931 der NSDAP bei. Seine Mitgliedschaft erlosch nach 2 Jahren mit deren Verbot in Österreich, er gehörte ihr auch nicht in den Jahren der Illegalität an, schon gar nicht hat er sich illegal betätigt und wurde auch 1938 nicht wieder in die Partei aufgenommen bzw. wurde seine Mitgliedschaft damals nicht erneuert. Erst 1944, als das System bemüht war, angesichts des drohenden Endes noch und noch Mitläufer zu assentieren war auch er einer vom "letzten Aufgebot".

In der Zwischenzeit (1938-44) hing ihm sicher schwer nach, daß er 1938 als einer der wenigen offen Kollaborations-Ansinnen zurückgewiesen hat. Sein "In Ruh' solln's uns lassen, Herr Minister" bei einem diesbezüglichen Goebbels-Anbiederungsversuch wenige Wochen nach dem "Anschluß" vor versammelten Kulturgrößen spricht Bände. Mit dem KZ war ihm schon einmal gedroht worden. Dem Mißtrauen des NS-Systems widersprach dabei nicht, daß er 1941 mit dem Grillparzerpreis ausgezeichnet wurde. Mit Gerhart Hauptmann, Erich Guido Kolbenheyer, Stefan George und anderen teilte er das Los, vom NS-System in Anspruch genommen zu werden, weil dieses klangvolle Namen für die Propaganda benötigte. Zweifellos war Weinheber deutsch-nationaler Dichter und als solcher mit dem Nationalsozialismus "verknüpft" (lt. Herder-Bücherei). Im ganzen aber blieb er distanziert, machte aus seiner Verachtung für die Pöbeleien der Herrschenden allerdings nur im kleinen Kreis kein Hehl. - In innerer Zerrissenheit fand er 1945 sein Ende.

Weinhebers Ästhetik und Poetologie

Gutachten sind bekanntlich weitestgehend inappellabel, da vom (subjektiven) Geschmack des Beurteilers hergeleitet, natürlich erst recht bei Voreingenommenheit. Daß Dr.Bauer Weinhebers Werk und Verhalten weitestgehend negativ aspektiert beurteilt, tendiert selbstverständlich auch nach diesem Prinzip. Mit einer Ausnahme läßt er zum "Fall Weinheber" auch nur seine Meinung obwalten; weshalb eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Bewertungen kontraproduktiv wäre und sich daher erübrigt. - Anstattdessen seien ein paar Aussagen, Sätze aus namhaften, z.T. approbierten literaturwissenschaftlichen Werken quasi als Gegenüberstellung zitiert.

Ein verwundeter, verworrener und im Grunde unwissender Mensch. Und ein begnadeter Poet, der, bevor ihn der Ruhm verblendete, einige der schönsten Gedichte in deutscher Sprache geschrieben hat (Ullstein 1956).

Weinheber erneuerte die erhabenen Formen der Ode und Hymne mit grüblerischer Gedanklichkeit, er folgte Michelangelo und Hölderlin, er fand aber auch volksliedhaft zarte Töne und den weichen, innig-süßen Zauber Wiener Musik (Kröner Verlag 1958).

Er ist ein großes und vielseitiges Formtalent, das virtuos alle metrischen Techniken und sprachlichen Formen beherrscht. Er ist der bedeutendste österreichische Lyriker des 20. Jahrhunderts (Leitner 1974). So baute der bedrückte Kleinbürger Sprache in strenger Form und elitärer Geste als Halt, Verkündung, als hohen Auftrag der Dichters. - Später bildete er sich an Hölderlin und Horaz zum Meister antiker und klassischer Formen der Lyrik aus, der Ode, die nach Hölderlin keiner wie er beherrschte (Herderbücherei 1979).

Seine außergewöhnliche Sprach- und Formbegabung führten ihn zu einer großen Meisterschaft in der Handhabung aller metrischen und strophischen Formen alter und neuer Lyrik. - Er gehört mit Rainer Maria Rilke, Hugo von Hofmannsthal, Anton Wildgans und Georg Trakl zu den größten Lyrikern Österreichs (Universitäts-Verlagsbuchhandlung 1984).

Schlußfolgerungen

Zunächst noch einmal zitiert, u.z. aus "Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur" (1981):

Über sein Leben und seine Dichtungen kursieren zäh haftende und Legenden. - Problematisch war alles an seiner so irreführenden wie überzeugenden Persönlichkeit, Zwiespalt aus einem Guß, ... - Daß Weinheber zeitweilig dem Nationalsozialismus nahestand - solche und ähnliche Pauschalbehauptungen simplifizieren das Phänomen der Weinheberischen Wirkung im Nationalsozialismus (Nymphenburger Verlagsbuchhandlung 1981).

Weinheber war kein NS-Poet! Zwiespältig Position und Situation, wechselseitig System und Dichter.- Seine dichterische Qualität ist unbestreitbar, in welchem Ausmaß, bleibe der jeweiligen Wertung überlassen: keinesfalls aber einer fanatischen Anhängerschaft ebenso wie "fanatischen GegnerInnen". Ein mich an ein Pamphlet gemahnendes Weinheber-Bild - Kulminationspunkt "fanatischer Nationalsozialist und Enthusiast des Stände Staates", an sich schon ein unqualifizierbares Statement - darf dabei nicht unwidersprochen bleiben. Soweit meine 'denkende Erklärung'!

Dr. Kurt Schlintner
Kulturreferent der Stadtgemeinde
Purkersdorf von 1960 bis 1990


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Letzte Änderung: 2008-02-28 - Stichwort - Sitemap