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Ehrenpreis Zivilcourage - Festansprache


Als im Sommer 2015 die ersten Flüchtlinge in Österreich ankamen, waren es Menschen vor Ort und Freiwillige, die sich zusammengeschlossen haben und sofort Hilfe leisteten. Stellvertretend für die Vielen, die seit jenem Sommer Menschlichkeit bewiesen haben, hat die Liste Baum & Grüne ein paar aktive Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen am 2. Februar 2017 vor den Vorhang gebeten und geehrt.

Im Bild: Sonja Wunderli - nahm den Preis für ihre Eltern Anni und erwin Zilka entgegen -, Marga Schmidl, Josef Baum, Robert Glattau, Eva Richlik, Gerty Schabas, Karin Tschare-Fehr und Christiane Maringer (v.l.n.r.)

Festansprache von Josef Baum bei der Übergabe der Solidaritätspreise von Liste Baum und Grüne

Sehr geehrte zu Ehrende, liebe Gäste!

Warum heute diese Ehrung? Wir leben in „interessanten Zeiten“, wie Chinesen zu sagen pflegen, „spannend“ in dem Sinn, dass heute viel Negatives, aber auch viel Positives möglich ist, viel mehr jedenfalls – in beide Richtungen – als noch vor kurzem möglich schien.

Zunächst fühl ich mich selbst sehr geehrt, hier ein paar Worte sagen zu dürfen.

Danke zunächst Marga und Christiane, dass ihr das konkret so gut vorbereitet habt.

Zunächst zur globalen Ebene: Wenn wir derzeit fast jeden Tag aus den USA Meldungen hören, glaubt man, dass Wirklichkeit und Satire ineinander übergehen – allgemein werden ja heute oft Satiren für real gehalten, und umgekehrt wird oft Reales vermeintlich als Kabarett wahrgenommen. Doch jenseits des schwarzen Humors stellen sich viele die Frage: Was bedeutet es, dass es gelingt, mit Methoden und Verhaltensweisen der untersten Schublade US-Präsident zu werden? Geht jetzt alles? Gibt es keinen Halt mehr, fragen manche fast verzweifelt.

Man kann das aber auch anders sehen: dieser Herr wurde nicht einmal von einem Viertel der AmerikanerInnen gewählt(die Hälfte hat resigniert, und ging nicht wählen), eigentlich hat er ja bekanntlich gar keine Stimmenmehrheit, und schon jetzt hat er die schlechtesten Akzeptanzwerte eines US-Präsidenten. Und was das wichtigste ist: Im Widerstand gegen diese Hasard-Politik, die zum persönlichen Vorteil alles aufs Spiel setzt, bildet sich derzeit offenbar auch ein neues Amerika mit menschlichem Antlitz heraus. Und es gibt nicht wenige Beobachter, die davon ausgehen, dass der nächste Präsident einer vom Typ Bernie Sanders sein wird.

Es gibt also große Gefahren, aber auch berechtigte Hoffnung. Man kann das Glas bekanntlich halbleer sehen – und ich muss es mir selbst auch oft immer wieder sagen -, aber auch halbvoll. Und selbst wenn die Chancen nur 50:50 wären, lebt man besser, wenn man das Glas HALBVOLL wahrnimmt.

! Die Geehrten stehen eben für Hoffnung und positives Denken.

Und es ist bei uns zwar nicht so extrem wie in den USA, aber ganz anders ist es auch nicht. Erinnern wir uns, welche Perspektiven sich bei den Präsidentenwahlen auftaten. Oder erinnern wir uns an diesen ersten Samstag im September 2015, als wir erstmals diese tausenden Leute damals am Westbahnhof wahrnahmen, die großteils in  ihrer Heimat nicht mehr leben konnten und schon tausende Kilometer hinter sich hatten. Damals ging ein Ruck durch Österreich, und selbst die „Krone“ konnte sich dem nicht verschließen, ja auch der Herr Jeannee schrieb an diesem Tag einen positiven Artikel zur Flüchtlingshilfe. Das spiegelt das unglaubliche Solidaritätspotential wieder, das in Österreich vorhanden war und im Prinzip noch immer vorhanden ist – natürlich nicht nur gegenüber Flüchtlingen. Doch schrittweise gewannen dann die Skeptiker an Boden; auch weil wir hauptsächlich ein profitorientiertes Mediensystem haben, das Quote braucht, und für das „bad news“ leider so „good news“ sind. In welchem Interesse ist es, wenn heute Kräfte damit an die Macht kommen wollen, dass sie demagogisch Leute, die nicht allzu viel haben, gegen andere ausspielen, die fast gar nichts mehr haben?

DrDr. Josef BaumVerkehrt es nicht alle menschlichen Traditionen von Humanität, Nächstenliebe oder Solidarität, die in fast allen Religionen und vielen Weltanschauungen aus gutem Grund Herzstücke sind, und durch die sich die Menschheit weiterentwickelt hat, wenn heute etwa ein „guter Mensch“ für manche als „Gutmensch“ zum Schimpfwort geworden ist? Oder was ist daran schrecklich, wenn jemand angesichts einer großen Herausforderung sagt: „Wir schaffen das?“. Wenn statt dessen verantwortliche und bezahlte Politiker gepusht werden, die Forderungen und Bedingungen stellen (an sich selbst?), warnen, lang und breit 27 Gründe finden, warum etwas nicht geht; mit einem Wort: Probleme verstärken statt lösen.

Die Geehrten stehen eben genau für die positive Alternative, Schwierigkeiten nicht zu schaffen und zu vergrößern, sondern zu überwinden.

Nochmals zum Grundsätzlichen: Warum stehen wir diesen Herausforderungen eigentlich gerade jetzt gegenüber? Was ist die Grundlage? Im Kern hängt das mit dem zusammen, was Globalisierung genannt wird. Hier dieses Handy wird in weltweiter Arbeitsteilung von hunderten Firmen zusammen produziert. Die Lohnkosten sind dabei nur einige Prozent des Verkaufspreises, der Rest sind Rohstoffe, Marketing und Gewinne. Dies zeigt eine sehr ungleiche Verteilung der Einkommen und Lebensbedingungen weltweit auf. Das ist allerdings nicht wirklich neu. Neu ist, dass genau durch diese neuen – in weltweiter Kooperation produzierten -Produkte nun die Menschen viel mehr von anderen Ländern wissen und auch sehr direkt miteinander kommunizieren können. Die Informationen verbreiten sich sehr schnell. Anlässe wie Kriege, verursacht durch imperialistische Interventionen, beschleunigen dann Bewegungen, nicht zuletzt auch der Klimawandel, der auch über Dürren in Syrien ein Faktor für erste aufstände und dann den Krieg war.

Diese globale Verbindung  ist auch praktisch nicht mehr rückgängig zu machen. Wir leben in EINER Welt, und müssen die Probleme der himmelschreienden Ungleichheit wie auch die Bedrohungen durch umwelt- und Klimaprobleme zusammen lösen. Sicher keine Lösung ist, was eine Person, die demnächst Landeshauptfrau werden soll, ernsthaft vorschlug: „Wir müssen an einer Festung Europa bauen“, sagte sie. Abgesehen davon, dass dieser Begriff aus der Zeit des 1000-jährigen Reiches stammt, und dieses nicht gerettet hat, – wobei ihr nicht unterstellt werden soll, dass sie das auch weiß -, erinnert so eine bizarre Vorstellung an die Stabilität von Sandburgen.

Was die derzeitige Lage mit den Kriegsflüchtlingen aus Syrien betrifft, so soll an das wichtigste Faktum erinnert werden: In der Türkei leben grob drei Millionen Kriegsflüchtlinge, in Jordanien 2 Millionen, im Libanon anderthalb Millionen, was dort sogar ca. einem Viertel der Bevölkerung entspricht! Ein wichtiger Auslöser für die jüngste Zunahme der Flucht nach Europa, waren Kürzungen der ohnehin niedrigen internationalen Flüchtlingshilfen bei diesen Millionen, insbesondere in den Flüchtlingslagern. Auch Österreich hat – veranlasst durch das  Außenministerium – diese Lagerhilfen gekürzt und bis heute nicht wesentlich erhöht, eigentlich unglaublich, denn es wird ja beteuert, dass man das Problem an der Wurzel lösen möchte. Solange hier keine radikaler Wandel erfolgt, werden sich verzweifelte Leute aufmachen – Festung hin oder her.

Es gibt eigentlich nur den Lösungsansatz von Zusammenarbeit und stetiger, aber entschiedener Ausgleich. Und dieser ist auch denknotwendig, wenn nur ein ganz einfaches Grundprinzip befolgt wird: bei allen Schwächen und Fehlern SIND ALLE MENSCHEN MENSCHEN; MENSCHEN MIT GLEICHER WÜRDE. Und egal, wie dieses Prinzip begründet wird: Ob aus der Aufklärung; aus sozialistischem Denken; aus Religionen, wonach wir Menschen Gottes Ebenbilder sind; oder einfach aus grundlegendem Anstand ohne großem Hintergrund. Dieses Grundprinzip ist so einfach, dass man sich wundert, warum es real nicht verwirklich wird; offenbar weil durch das Gegenteil davon Herrschaft möglich ist, und manchen einiges einbringt.

Und bemerkenswerterweise haben diejenigen, die nicht der Meinung sind, dass alle Menschen wie Menschen zu behandeln sind, auch meist für unsere Umwelt nichts über, wie man jetzt eben in den USA sieht. Zwischenmenschliche Solidarität und Schutz unserer Umwelt sind zwei Seiten einer Medaille.

Nun braucht  sich die österreichische Bevölkerung  bezüglich Flüchtlingssolidarität im europäischen Vergleich wahrlich nicht zu schämen. Und wir haben auch eine lange Geschichte der Solidarität. Weil jetzt gerade der 80. Jahrestag war, möchte ich nur auf ein Beispiel hinweisen: 1400 Österreicherinnen eilten in den 30er Jahren der spanischen Republik zu Hilfe, als in Spanien die Franco-Faschisten blutig putschten, und nicht wenige ließen dort in internationaler Solidarität sogar ihr Leben.

Nun zu hier und heute: Marga wird dann die einzelnen Personen, die heute mit dem Solidaritätspreis aufgrund ihrer Beiträge in der Flüchtlingsbetreuung als Menschen der Tat ausgezeichnet werden, genauer vorstellen: Gerty Schabas, Eva Richlik, Robert Glattau, Karin Tschare-Fehr, Anni und Erwin Zilka; und auch noch auf viele andere hinweisen, die z. B. Deutschkurse abhielten und abhalten. Ich möchte speziell noch stellvertretend für andere Lucy Lynn und Alina Rheindorf  nennen – es spricht auch für sich, dass da viel mehr Frauen sind!  – Es war uns von Anfang an schmerzlich bewusst, dass Ehrung einiger nur symbolisch für sehr viele sein kann. Und dass es im Bereich Umwelt und Soziales noch viele, viele andere gibt, die mehr als einen Preis verdient haben. Aber es wird wahrscheinlich auch ein nächstes Mal geben.

Wir haben dieses mächtige Potential der Hoffnung – wie man es eigentlich nicht für möglich gehalten hätte, nun in Purkersdorf  bei zwei Anlässen gesehen: im weiteren Sinn bei der Bundespräsidentenwahl, da  zähle ich zu den zwei Drittel, die den jetzigen Präsidenten wählten, auch einen erklecklichen Teil derer dazu, die aufgrund der massiv verbreiteten rechtsdemagogischen Propaganda und ihrer vielen Erfindungen diesen nicht wählten konnten. Und eben im engeren Sinn die  vielen Leute in der Flüchtlingsbetreuung uneigennützig und vielen Herausforderungen trotzend. In diesem Sinn können wir – auch bei vergleichender Betrachtung – wirklich stolz auf Purkersdorf sein. Und daher braucht uns bei diesem Potential an wunderbaren Menschen auch bei allen globalen bis lokalen Herausforderungen wirklich nicht bang sein.

Weiterlesen:
–> Robert Glattau zum derzeitigen Stand um das Projekt: Flüchtlinge als Schülerlotsen
–> Einen Bericht und Fotos vom Abend gibt es auch in den Bezirksblättern Purkersdorf


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