Purkersdorf Online

Klatsch und Tratsch


"Was ihr Frauen immer zum Tratschen habt?!" Kennen Sie diesen Ausspruch? Oder tätigen Sie ihn sogar selbst hin und wieder? Angeblich tratschen ja nur Frauen. Männer tun sowas nicht. Männer tauschen Informationen aus. Aber ist das Kommunikationsverhalten wirklich so unterschiedlich, wie die Volksmeinung glaubt?

Zugegebenermaßen tritt bei Frauen schon mal der "Ganslstalleffekt" auf, wo eben mehrere Frauen (zumindest für sie) interessante Informationen austauschen und darüber auch lachen. Die Stimmen von Frauen sind aber heller als die Stimmen von Männern, wenn also mehrere Männer gemeinsam lachen (kommt ja auch hin und wieder vor) klingt der Chor einfach anders - nur gibt es keinen für den Volksmund passenden Vergleich. Aber da sind wir schon bei einer typisch männlichen Gruppenverhaltensweise - dem kollektiven Witzeerzählen. Es ist Ihnen sicher auch schon passiert - eine fade Besprechung, oder noch besser, eine Besprechung hat noch nicht begonnen, weil noch nicht alle Teilnehmer eingetroffen sind, alle Teilnehmer sitzen um den Tisch und keiner weiß so recht, was er sagen soll, da beginnt immer einer damit, einen Witz zu erzählen. Meistens extrem unlustige Witze. Alle lachen pflichtschuldigst, egal ob sie ihn verstanden haben oder ob sie ihn lustig finden. Danach herrscht wieder peinliches Schweigen. Ich habe noch nie erlebt, daß Frauen mit dem Witzeerzählen beginnen, korrigieren Sie mich, wenn es nur daran liegen sollte, daß weitaus mehr Männer als Frauen zu Besprechungen gehen. Noch viel schlimmer ist der vom Chef erzählte Witz über den dann alle Anwesenden ganz laut lachen, weil er ja so lustig ist - meistens ist er es nicht. Ganz ganz schlimm wird es, wenn sich daraus eine Witzeerzählkette ergibt, d.h. ein Witz jagt den nächsten und es finden sich auch andere Besprechungsteilnehmer, die einen sooo lustigen Witz wissen - wenn Sie einen originellen Weg, wie man solche Ketten unterbricht, wissen, bitte teilen Sie ihn mir mit.

Zurück zum eigentlichen Thema. Bekanntlich spielen sich 6/7 der Kommunikation unter der Oberfläche ab (der beliebte Eisbergvergleich, wo sich nur 1/7 über dem Wasser befindet). Das ist auch in der Arbeitswelt beobachtbar. Wie hoch ist der Anteil der (wirklich wichtigen bzw. der wirklich interessanten) Informationen, die Sie auf offiziellem Weg bekommen? Garantiert unter der Hälfte. Irgendwie gelangt man dann schon dazu, die Wege sind aber sehr oft verschlungen. Und ein Teil genau dieser verschlungenen Wege sind ebenfalls in die Kategorie "Klatsch und Tratsch" einzureihen. Gerade unter Männern bilden sich sehr einfach "Seilschaften" - man war gemeinsam auf einem Seminar oder man hat bei einem Projekt miteinander gearbeitet, danach kennt man sich ganz gut und hat Interesse am Arbeitsbereich des anderen. Man fragt nach, was es Neues gibt und was sich so tut - und schon haben wir Männer, "die ja nie tratschen". Es gibt noch einen Beweis dafür, daß das Tratschverhalten von Frauen und Männern annähernd gleich ist: die Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Gerüchten und privaten Infos. Wenn jemand kündigt oder spektakulär erkrankt ist, wenn es ein ganz ganz neues brandheißes Gerücht gibt - wie schnell hat sich das im Haus herumgesprochen? Normalerweise innerhalb eines halben Tages, d.h. spätestens beim Mittagessen wissen es alle. So leistungsstark in der informellen Informationsweitergabe kann der Frauenanteil niemals sein, also müssen offenbar auch die Männer dazu beitragen, die Info weiterzugeben. Abgesehen davon wissen auch die Männer Bescheid und von irgendwoher müssen sie es ja auch haben, oder?

Ein wirkliches Problem ist, daß die Frauen in den informellen Seilschaften zu wenig stark vertreten sind. Viele wirklich wichtige Informationen, die die Arbeit betreffen, werden über die Männer-Männer-Schiene weitergegeben und nicht an die Frauen weiterverteilt, z.B. weil keine Frauen in höheren Hierarchieebenen sind oder weil man(n) annimmt, daß Frauen sowieso nur an Neuigkeiten privater Natur interessiert sind. Oft haben Frauen auch absolut keine Chance, an diesen Seilschaften teilzuhaben, weil sie nicht ausreichend ernst genommen werden und zu diesem "Club" keinen Zutritt haben. (Frauen lachen auch oft nicht über die richtigen Witze oder man ist in ihrer Gegenwart in der Ausübung typisch rein-männlichen Gruppenverhaltens gehemmt - das will man(n) nicht, da ist es besser, es sind keine dabei. Das eigene Verhalten will man ja doch nicht ändern.) Die Seilschaften halten oft über mehrere Karrieresprünge hinweg, auch wenn man inzwischen bei einer anderen Firma arbeitet. Da erfährt man dann, ob dort eine interessante Stelle frei ist bzw. wird auch gefragt, ob man nicht Interesse hätte. Diese Karrierechancen sind Frauen oft verbaut.

Ich bin der Ansicht, daß das Klatsch und Tratsch - Verhalten von Männern und Frauen grundsätzlich gleich ist, nur die Themen unterscheiden sich (zumindest teilweise). Aber vielleicht ist es gar kein Fehler, wenn man weiß, wer wann Geburtstag hat, wer gerade privat unter einer starken Belastung leidet, wer sich über etwas sehr freuen kann. In einem Managementkurs habe ich gelernt, daß man an seinen Mitarbeitern Anteil nehmen soll, indem man sie bewußt nach privaten Dingen fragt (es gab sogar eine Checkliste mit einzelnen Punkten). Ich fand das ziemlich absurd. Entweder man interessiert sich wirklich und ehrlich für die Anliegen und Leiden der KollegInnen oder man hat sich selbst davon ausgeschlossen. So schlecht ist Klatsch und Tratsch ja gar nicht.

Mag. Gabriele Scholz


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Letzte Änderung: 2001-09-16 - Stichwort - Sitemap