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Halbe/Halbe


Ein Stoßseufzer aus dem Mund einer ehemaligen Kollegin lautete: "Das Arbeiten wäre ja schön, wenn die zweite Schicht daheim dann nicht wäre!". Sie war verheiratet, hatte ein Kind, arbeitete in einem normalen 40-Stunden-Dienstverhältnis und wurde von jedem als "Frau, die sich durchsetzen kann" beschrieben. Ihr Mann war auch verheiratet (logisch!), hatte ein Kind und einen Vollzeit-Job. Wieso hatte er keine zweite Schicht?

Es ist immer noch normal, dass die Hausarbeit und Kinderpflege der Frau überlassen wird. Ich höre Sie jetzt schon dagegen argumentieren - er saugt ja Staub, er kümmert sich um die Haustiere, er bringt das Kind in die Schule, er bringt das Auto zum Service, er wechselt die Glühbirnen, er bügelt seine Hemden selbst?. Rechnen Sie nach - ist das wirklich halbe/halbe? Frauen sind oft mit der guten Absicht bzw. der halb angedeuteten Tat zufrieden, da erkennen sie bereits den guten Willen und sind sofort bereit, den armen Mann wieder aus seiner Pflicht zu entlassen ("Der Arme arbeitet ja so schwer!"). Sie etwa nicht?

Ich kenne Frauen, die ihre Söhne zu wahren Paschas erzogen haben - da schleppt die alleinerziehende Mutter täglich die Einkaufstaschen in den 4. Stock während die Teenager-Söhne ihre Zeit mit Computerspielen verbringen und nicht einmal die schmutzigen Teller den Weg in den Geschirrspüler finden. Und wenn der Sohn auszieht ist die Mutter auch noch froh, wenn sie ihm seine Hemden waschen und bügeln darf, vielleicht geht sie sogar seine Wohnung putzen.

Die Männer werden von uns Frauen zu wenig gefordert. Sie werden schon als Kinder verhätschelt (die Töchter decken den Tisch, nicht die Söhne) und als Erwachsene erwarten sie diese Behandlung bereits. Wenige Männer meines Bekanntenkreises können kochen, und wenn, dann kochen sie nur zu besonderen Gelegenheiten. Viele würden sich gerne an der Kindererziehung in Form eines Karenzjahres beteiligen, da schlägt aber meistens das zu niedrige Gehalt der Frau erbarmungslos zu und verhindert das. Ein Bekannter war insgeheim sogar froh, dass seine Frau nicht stillen konnte, so hatte er durch die täglichen Flascherl-Fütterungen die Chance, eine ganz besondere Beziehung zu seinem Kind aufzubauen.

Warum behandeln wir die Männer daheim wie Kinder? In der Arbeit schauen die Frauen ehrfurchtsvoll zu den Chefs auf, aber zu Hause wird der Chef wie (fast) jeder andere Mann für unfähig gehalten so komplizierte Geräte wie eine Waschmaschine zu bedienen (ist ja auch viel schwieriger als ein Videorecorder). Warum nehmen wir den Männern dieses Erfolgserlebnis? Ist es nicht tragisch, dass sich viele Männer nicht alleine versorgen können? Stört es sie nicht, dass sie nie das essen können, worauf sie gerade Lust haben, weil sie nicht selbst kochen? Wollen sie wirklich Zeit ihres Lebens auf fremde (weibliche) Hilfe angewiesen sein?

Wie finden wir aus dieser Situation heraus? Wir Frauen lassen den Männern oft nicht die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Vielleicht ist Kochen am Abend für ihn genau die Beschäftigung, die ihn abschalten lässt. Vielleicht entspannt er sich beim Bügeln. Aber es ist auch die Chance für uns Frauen, mehr Selbstbewusstsein und Mut zu entwickeln. Wenn wir lernen, unsere eigenen Interessen (mehr Freizeit, mehr Zeit für sich selbst) daheim durchzusetzen, fällt uns im Büro die Frage nach einer angemessenen Gehaltserhöhung auch nicht mehr so schwer!

Mag. Gabriele Scholz


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Letzte Änderung: 2002-06-01 - Stichwort - Sitemap