Purkersdorf Online

LIB-Rundbrief 2003-03-04


SP-NÖ-Gutachten über Spekulationen mit öffentlichen Geldern wirft Schlaglicht auf Purkersdorf

LIB-Obmann fordert Neudiskussion der Frankenkredite in Purkersdorf

Die Vorgeschichte:

Das Land Niederösterreich hat Wohnbaumittel in Aktienfonds umgewidmet und geglaubt , dadurch jährliche Einkünfte von 165 Mio. EUR (über 2 Mrd. ATS) zu erreichen. Tatsächlich konnten nur mehr Einnahmen von 80 Mio. EUR, also der Hälfte, erzielt werden, weil bekanntlich die Aktienkurse und damit der Wert der Spekulationsgelder so verfallen sind.

Die SP-NÖ legte nun zwei prominente Gutachten vor, die durchaus als spektakulär zu bezeichnen sind. Immerhin wird gleichzeitig der Rücktritt des Finanzlandesrates des Koalitionspartners gefordert sind. Da Ganze wirft auch für Purkersdorf angesichts der Frankenspekulation aktuell schwerwiegende Fragen auf

Zuerst die Aussendung der SPÖ-NÖ im Wortlaut:


"Gutachten bestätigen rechtlich zweifelhafte Vorgangsweise bei Veranlagung der Erlöse aus Verkauf der NÖ Wohnbauforderungen

Sobotka als Finanz-Landesrat fehl am Platz

3.3.03- Zwei vom Landtagsklub der SPÖ Niederösterreich in Auftrag gegebene Rechtsgutachten belegen nun ganz klar, dass die von LR Sobotka zu verantwortende Vorgangsweise bei der Veranlagung der Erlöse aus dem Verkauf der Forderungen aus NÖ Wohnbauförderungsdarlehen nicht rechtmäßig war. "Die beiden Gutachten stimmen insbesondere darin überein, dass das gesamte Investment an den in der NÖ Landesverfassung niedergelegten Begriffen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu messen ist. Daraus ergibt sich, dass die Aufnahme von Aktien in ein Veranlagungspaket der öffentlichen Hand problematisch bzw. überhaupt rechtswidrig ist. Das Land ist zu einer risikofreien, substanzerhaltenden Veranlagung verpflichtet. Diese Voraussetzungen sind bei der Veranlagung der NÖ Wohnbaugelder nicht gegeben", so SP-NÖ-Klubobmann Ewald Sacher.

Die beiden Gutachten wurden vom Landtagsklub der SPÖ Niederösterreich beim Verfassungsrechtsexperten o.Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger sowie beim Rechtsanwalt Dr. Gabriel Lansky (Lansky, Ganzger & Partner) in Auftrag gegeben.

"... keine Aufgabe des Staates"

Der Veranlagung lag ein Landtagsbeschluss mit der Ermächtigung an die Landesregierung, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, zu Grunde. o.Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger erkennt in seinem Gutachten zur Frage, ob der Beschluss des NÖ Landtages vom 28. Juni 2001 als rechtliche Rechtfertigung herangezogen werden kann: "Der Beschluss des Landtages ist vielmehr in dieser Frage unergiebig." Die Schlussfolgerung im Bericht des Landesrechnungshofes, es sei davon auszugehen, dass "gemäß dem Beschluss des Landtages von NÖ jedenfalls auch die Investition in Aktien gewollt bzw. gefordert war", sei daher "rechtlich nicht haltbar".

Als wesentliche Schlussfolgerung seines Gutachtens erkennt Öhlinger, dass "Geld zu veranlagen oder gar damit zu spekulieren, zweifellos keine öffentliche Aufgabe und damit keine Aufgabe des Staates" sei. Es müsse "spezifische sachliche Gründe dafür geben, dass Ansprüche, die dem Land laufende Einnahmen gewährleisten - wie die Rückzahlung von Wohnbaudarlehen - nicht zur Bestreitung laufender Aufgaben des Landes verwendet, sondern veräußert werden. Und es muss weiters sachliche Gründe dafür geben, den Erlös dieser Veräußerung nicht unmittelbar zur Erfüllung von Aufgaben des Landes zu verwenden, sondern am Kapitalmarkt zu veranlagen." Ein erhoffter Gewinn sei für eine solche Aktivität des Landes jedenfalls "keine ausreichende sachliche Begründung", so der Experte weiter, lediglich ein sicherer Ertrag könne eine solche Maßnahme rechtfertigen. "Das Land als ,Staat' darf dabei aber kein vermeidbares Risiko eingehen. Der Staat als Spekulant ist eine mit der Idee des Gemeinwohls und seinen ethischen Implikationen völlig unverträgliche Vorstellung."

"Im Lichte dieser der Gebarung eines Landes vorgegebenen Kriterien erweist sich daher schon der Beschluss, die Wohnbaudarlehensforderungen des Landes zu veräußern, als problematisch. Rechtlich äußerst zweifelhaft ist aber jedenfalls der Versuch, den Erlös der Veräußerung dieser Forderungen zur Gewinnspekulation auf dem Kapitalmarkt zu verwenden, ohne sich gegen einen Substanzverlust hinreichend abzusichern. Diese Vorgangsweise ist im Übrigen auch nicht durch den Beschluss des NÖ Landtages gedeckt", schließt Öhlinger seine Ausführungen.

"... halten die gewählte Anlageform [...] für rechtswidrig"

Rechtsanwalt Dr. Gabriel Lansky weist in seinem Gutachten vor allem darauf hin, dass die dem Land NÖ von der Verfassung eingeräumten Kompetenzen, privatrechtliche Verträge abzuschließen, im Grunde nicht bedeute, ein "Recht" wahrzunehmen, sondern eine Verpflichtung darstellt, bei Vorliegen entsprechender Tatbestandsvoraussetzungen und in Übereinstimmung mit den demokratisch formulierten Gemeinwohlzielen den öffentlichen Interessen gemäß zu handeln. Der Rahmen der Gebarung des Landes werde durch die drei in der Verfassung verankerten Prinzipien der Finanzpolitik vorgegeben - nämlich Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit.

So ergebe sich beispielsweise aus dem Wertpapieraufsichtsgesetz, dass die öffentliche Hand bei der Veranlagung ihres Vermögens ein risikoaverses Risikoprofil aufweisen müsse. "Die Aufnahme von Aktien in ein Veranlagungspaket der öffentlichen Hand ist generell problematisch, denn diese sind jedenfalls nicht als mündelsicher im Sinne der einschlägigen zivilrechtlichen Bestimmungen anzusehen", so Lansky. "Wir halten die gewählte Anlageform im Lichte der Gebote der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit somit für rechtswidrig. Rechtswidrig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die gewählte Veranlagungsform nicht mit diesen haushaltsrechtlichen Grundsätzen in Einklang zu bringen ist. Im vorliegenden Fall wäre jedenfalls eine konservative Veranlagung geboten gewesen, zumal sogar gutachterlich auf die möglichen, nunmehr eingetretenen Vermögensverlustpotenziale hingewiesen wurde."

"Sobotka als Finanz-Landesrat vollkommen fehl am Platz"

Angesichts dieser aussagekräftigen Expertisen bekräftige SP-NÖ-Klubobmann Ewald Sacher seine massive Kritik an der Vorgangsweise des Finanzlandesrates. "Wolfgang Sobotka hat das von den Verfassungsrechtsexperten massiv kritisierte Anlagesplitting in 40% Aktien und 60% Anleihen voll zu verantworten, da er diese Zielvorgabe, die nicht im Landtagsbeschluss enthalten war, an die Veranlagungsgesellschaft gab. Darüber hinaus hat er durch seine Monate lange Nichtinformation der Landesregierung und des Landtages über das Verhältnis des Splittings eine weitere nicht tolerierbare Fehlleistung geliefert", übt Sacher heftige Kritik an Sobotka, der erst im Mai 2002, auf Druck von Landesrat Fritz Knotzer, den Landtag informierte und dabei die großen Verluste eingestehen musste. "Angesichts dieser Ereignisse steht für mich fest, dass Sobotka als Finanz-Landesrat vollkommen fehl am Platz ist. Ich fordere ihn daher auf, das Finanzressort abzugeben", meint Klubobmann Ewald Sacher."


Soweit die Aussendung der SPÖ-NÖ im Wortlaut

LIB-Obmann fordert Neudiskussion der Frankenkredite in Purkersdorf

LIB-Obmann Josef Baum fordert angesichts dieser klaren Aussagen von Fachleuten, nämlich dass mit öffentlichen Geldern nicht spekuliert werden darf, eine neuerliche Diskussion um die Frankenkredite in Purkersdorf. Derzeit ist absehbar, dass der Franken durch die auf viele Jahre angelegte imperialistische Kriegs- und Weltherrschaftspolitik der US-Regierung als Fluchtwährung weiter im Wert steigen wird. In der Schweiz wird derzeit ernsthaft erstmals die Bindung an den Euro diskutiert. Dies hätte für Purkersdorf die positive Folge, dass die voraussichtlichen Verluste für die Gemeinde eingegrenzt würden; andererseits würden die Purkersdorfer Schulden grob berechnet um ca 20 Millionen S ansteigen und so abzüglich der Zinsgewinne insgesamt Verluste von einigen Millionen S unwiderruflich verloren sein. Jedenfalls sollte rasch überlegt werden, ob es Möglichkeiten gibt, aus der misslichen Lage mit minimalen Schäden auszusteigen

Mag. Josef Baum
02231 64759   0664 1142298   baum.josef@utanet.at


AnfangZum Anfang der Seite
Letzte Änderung: 2003-03-05 - Stichwort - Sitemap