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Über Wiesen und Weiden |
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Über Wiesen und Weiden, 2004Von Dieter ArmerdingBis in das 17. Jahrhundert nach Christus bot der Wienerwald noch ein fast geschlossenes Blätterdach.
Die eigentliche Waldgeschichte des Wienerwaldes begann vor ca. 5.000
Jahren im Anschluss an die nacheiszeitliche Haselzeit. Die Anfänge der
Forstwirtschaft gehen bis zur Zeit der Babenberger zurück. Ein Jagdbann
verhinderte aber größere Rodungen. Stärkerer Holzeinschlag begann erst in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und damit auch die Etablierung der
Landwirtschaft
und die Entstehung von Wiesen und Weiden. Während die Waldentwicklung also
über Jahrtausende hindurch von Menschenhand unbeeinflusst war, ist die
Geschichte der Wiesen im Wienerwald von Anfang an Menschenwerk und erst
einige Jahrhunderte alt.
Die Rodung von Wald führte zur Ansiedlung und explosionsartigen Vermehrung
lichtbedürftiger Pflanzenarten. Über Jahrhunderte andauernde, gleich
bleibende menschliche Eingriffe führten zu stabilen Ökosystemen und zu
einer Abhängigkeit spezifischer Pflanzen- und Tiergesellschaften von
diesen Maßnahmen.
Wiesen und Weiden sind Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Sie
faszinieren dort, wo sie noch keinen neuerlichen, abträglichen
Veränderungen unterworfen sind, durch ihre Artenvielfalt und Buntheit, die
Vielfältigkeit landschaftlicher Ausformungen und naturnaher Details. Für
stressgeplagte Stadtmenschen sind sie ein unentbehrlicher Erholungsraum
für naturverbundene Besucher und Wienerwaldbewohner auch Erlebnis- und
Abenteuerwelt, für Forscher und Schüler Lehr- und Lernstoff.
Extensiv
genutzte Wiesen spielen auch eine hervorragende Rolle als Imageträger für
den Fremdenverkehr.
Die Bewertung der ökologischen Wertigkeit einer Wiese ist recht kompliziert. Je naturnaher eine Wiese ist, umso höher ist ihre ökologische Wertigkeit. Im Zusammenhang mit dem Alter und der Reife der etablierten Pflanzengesellschaften und deren Artenreichtum stellen alle drei Bewertungsparameter - Naturnähe, Reife, Artenvielfalt - die Grundlage für die Bewertung eines Ökosystems dar. Hinzu kommen die Faktoren der Seltenheit und des Gefährdungsgrades. Wendet man alle diese Kriterien zur ökologischen Beurteilung von Wienerwaldwiesen an, dann bleiben nicht viele wichtige, wertvolle Wiesenflächen übrig. Noch kritischer wird es, wenn man zusätzlich zu den Pflanzenarten für die Bewertung auch die auf und von den Wiesen lebenden Tierarten hinzuzieht.
Mit den höchsten Rang ökologischer Wertigkeit haben Quellmoore, Feucht-
und Nasswiesen in verschiedenster Ausprägung, sowie wechselfeuchte Wiesen.
Sie sind Standorte einer Vielzahl von Pflanzenarten der Roten Liste. Es sind besonders - aber nicht allein - die Orchideen, welche die Attraktivität solcher feuchten Lebensräume ausmachen. Der größere Teil ursprünglich existierender feuchter und nasser Wiesen fiel jedoch schon lange den Bemühungen der Besitzer zum Opfer, diese Flächen trockenzulegen. Der Verlust dieser Wiesenflächen-Typen hatte z.B. auch das Verschwinden vieler Vogelarten zur Folge, so wie den des Braunkehlchens, das bevorzugt am Boden unter Grasbüscheln nistet oder den der Schafstelze und des Kiebitzes. Was immer noch übrig ist an nassen und feuchten Wiesen im Wienerwald, sollte höchste Priorität haben, was Erhaltung, Schutz und Pflege dieser Wiesen anbetrifft. Neuere Dränagen sind zu entfernen, alte Entwässerungsgräben sollten blockiert werden, damit das Wasser auf der Wiese bleibt. Andere Möglichkeiten das Trockenfallen von Wiesen zu verhindern, sollten ergriffen werden. Neuetablierung offener Wasserflächen und Rinnen ist zu fördern, nicht zuletzt auch wegen deren Bedeutung für die Entwicklung und das Überleben von Amphibien.
Extensiv bewirtschaftete Feucht- und Nasswiesen auf der einen Seite und
Trocken- und Magerwiesen auf der anderen sind immer noch Lebensraum für
eine große Anzahl von Wiesentieren: Da sind zunächst einmal die
Schmetterlinge. Es versteht sich von selbst, dass die Arten, deren Raupen
Wiesenpflanzen zum Fressen benötigen, nur überleben können, wenn diese
lange genug im Jahr zur Verfügung stehen. Das ist meist die Zeit vom
Frühlingsanfang bis Juni. Viele Raupen sind nur auf eine Pflanzenart
spezialisiert, die in der Regel auf intensiver bewirtschafteter Wiesen
nicht mehr vorkommen.
Die fertigen Schmetterlinge sind auf den Blütenreichtum der Wiesen angewiesen, den es auf normalen Wirtschaftswiesen mit Mahdterminen ab Juni nicht mehr gibt. Allerdings gibt es auch Tagfalter, die auf Wiesenblumen weniger angewiesen sind, die aber speziell solche Wiesen anfliegen, die für die Raupen am besten geeignet sind. Für den oft zitierten Schachbrett-Falter sind dies eben überwiegend ungedüngte, magere Wiesen. Zu den Vögeln, die heute noch im Wienerwald beobachtet werden können und die man auch auf Wiesen antreffen kann, gehören der Weißstorch, bedeutsame Vorkommen des Schwarzstorches und der berühmte Wachtelkönig. Letzterer ist seiner Ausrottung im Wienerwald nur entkommen, weil er flexibler bei Auswahl von Brutplätzen ist als andere Wiesenbrüter. Das Ziesel gibt es in nennenswerten Mengen nur noch auf der Perchtoldsdorfer Heide, nicht nur deshalb, weil es dort eifrig von den Besuchern gefüttert wird, sondern weil es andere ihm entsprechende Wiesen-Lebensräume im Wienerwald kaum noch gibt.
Es sind dies Fettwiesen, die zwei- bis dreimal pro Jahr gemäht und mit Stallmist und Gülle gedüngt werden. Nach der dominanten Obergrasart werden sie Glatthaferwiesen genannt. Sie können durchaus interessante und optisch ansprechende Aspekte aufweisen. Allzu häufig entstehen Glatthaferwiesen aus Magerrasen, deren Ertrag für den Bauern nicht mehr ausreichend ist. Einige Landwirte versuchen auch typische Trockenrasen durch Düngung ertragreicher zu machen, was vorübergehend erfolgreich sein mag. Das Endresultat kann aber statt einer ursprünglich artenreichen Blumenwiese, eine minderwertige vegetationsarme Fläche sein. Trotzdem können intensiver bewirtschaftete Fettwiesen, so wie die Glatthaferwiesen, Lebensräume zahlreicher Tiere und Pflanzen sein, ganz besonders dann, wenn die Intensivierung noch nicht weit genug fortgeschritten ist. Gewisse ökologisch negative Konsequenzen können auch wieder rückgängig gemacht werden, insbesondere durch die Aufgabe der Düngung. Aber es gibt da sehr feine Grenzen. Wiesen, deren Bewirtschaftungsintensivierung schon mehrere Jahre zurück liegt, können immer noch eine nennenswerte Anzahl von Orchideen aufweisen. Dies gilt sowohl für Feuchtwiesen, als auch für trockenere Rasenflächen. Es ist aber ein verbreiteter Irrtum anzunehmen, dass das Vorkommen von Orchideen einen ökologisch intakten Lebensraum signalisiert. Die Düngung unterdrückt die Mykorrhizapilze, die Orchideen-Samen zum Keimen benötigen. Den adulten blühfähigen und häufig langlebigen Pflanzen macht Düngung nicht allzu viel aus. Nur: Mit der letzten blühenden Orchidee ist die Population auf einer gedüngten Wiese ausgestorben. Nicht nur Düngung verändert den ökologischen Wert einer Wiese zum Schlechteren. Häufigkeit und Zeitpunkt der Mahd-Termine bestimmen durchaus die Anzahl der Pflanzenarten auf einer Wiese. Je öfter und je früher gemäht wird, umso artenärmer wird eine Wiese. Eine Mahd im Juni, konsequent über Jahre hindurch durchgeführt, eliminiert effektiv die meisten der früh blühenden Pflanzenarten. Sie können keine Samen mehr bilden. Arten mit unterirdischen Speicherorganen können diese nicht mehr aufladen, weil eben die Blätter der Pflanzen verloren gehen. Pflanzen, die nur einmal im Jahr und später blühen, können keine Blütenstände mehr ausbilden.
Aus einem ursprünglich artenreichen, ökologisch hochwertigen Lebensraum, einem Paradies für Orchideen und andere seltene, gefährdete Pflanzenarten wurde ein minderwertiges Habitat, auf dem höchstens noch Gänseblümchen, Löwenzahn und der scharfer Hahnenfuß gedeihen. Wiesen und Weiden wurden von Bauern geschaffen, und es gibt die meist nur deshalb noch, weil sie von den Bauern gebraucht und gepflegt werden. Eine nicht bewirtschaftete Wiese verbuscht und wird früher oder später wieder zu Wald. Natürlich gibt es viele andere Gefährdungen:
Welche Möglichkeiten des Schutzes und der Pflege von Wienerwaldwiesen stehen heute zur Verfügung? Der klassische Naturschutz schützt per Gesetz auf Landesebene. Er definiert die Pflanzen- und Tierarten, die zu schützen sind. Er deklariert Naturschutzgebiete als höchste Schutzkategorie und Naturdenkmäler. Nur: Ohne Geldmittel geht es meistens nicht. Die Freiwilligkeit von Landwirten hier für wenig oder gar ohne Entgelt mitzumachen, hält sich verständlicherweise in Grenzen. Ein Artenschutz aber, der nicht die Standorte und Lebensräume für die gefährdete Fauna und Flora erhält und die notwendige Pflege derselben sichert, ist schlichtweg Unfug, die Gesetze dafür Makulatur.
Die Natura 2000 ist ebenfalls ein von der EU initiiertes Programm. Die Durchsetzung der Ziele ist jedoch zwingender als beim ÖPUL und beim Ökopunkteprogramm, weil die Länder sich entscheiden müssen, was und wie viel sie denn schützen wollen. Das geschieht erst einmal ohne Einverständnis der Betroffenen und Eigentümer. Es geht
In anbetracht so vieler natur- und artenschutzbezogener Programme sollte es eigentlich möglich sein, die Wienerwaldwiesen zu retten - ganz besonders auch dann, wenn man nicht nur auf Initiativen und Projekte auf höherer politischer Ebene wartet und darauf vertraut, dass diese funktionieren, sondern auch selber aktiv wird. Das Biosphärenpark Projekt der UNESCO hat die gleichen Zielsetzungen wie die der bereits zitierten Programme. Es baut aber in erster Linie auf die Mitarbeit derjenigen, die in und von der Landschaft leben, die es zu erhalten und zu pflegen gilt. Es geht um die Schaffung eines neuen Bewusstseins und um die Identifizierung mit dem eigenen Lebensraum auf der Basis ökologischer Erkenntnisse. Es sollten alle zusammenarbeiten, miteinander kommunizieren und voneinander lernen – Diejenigen, die bislang bei den Planungen und der Realisierung zum Schutz und der Pflege des Wienerwaldes mitgearbeitet haben mit all denen, die ein tiefes Interesse an der Erhaltung der Wienerwaldlandschaft haben. Bilder-Liste
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