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o.Irschik ® sagt am 15.11.2011 14:58 zu Josef Baum ®:Erster Beitrag

Re: Aus dem Gfrett was Gscheites machen


Wa net Wien (purkersdorf...)waun net duat wo ka gfrett is ans wurt...

Finde ich sehr originell im Sinne eines Weinheber-Zitats, und ich möchte meine Interpretation dazu darlegen: Das Ganze hätte ja leicht ohne Gfrett weitergehen können, wenn die wiederholten Hinweise, siehe Bina, beachtet worden wären, das liegt leider zunächst an der in jeder Beziehung satten absoluten Mehrheit, die ein Entwicklungshemmnis ist. Wahrscheinlich ist das auch nicht nur nicht beachtet, sondern auch nicht oder kaum verstanden worden. Eine event-orientierte Gesinnung, die sich wenig GedaSg. Herr Dr. Baum.


Sg.H.Dr. Baum

Verspätete Wertschätzung für Ihren, im schrillen Meinungskonzert humoristisch- ausgewogenen Beitrag. Zum Dank zwei Gedichte, um nicht nur über, sondern auch einmal von Weinheber zu sprechen und diesen zu Worte kommen lassen:
IM GRASE
Glocken und Zyanen, Thymian und Mohn. Ach ein fernes Ahnen Hat das Herz davon.
Und im sanften Nachen Trägt es so dahin. Zwischen Traum und Wachen Frag ich, wo ich bin.
Seh die Schiffe ziehen, fühl den Wellenschlag, weiße Wolken fliehen durch den späten Tag-
Glocken und Zyanen, Mohn und Thymian. Himmlisch wehn die Fahnen Über grünem Plan:
Löwenzahn und Raden, Klee und Rosmarin. Lenk es Gott, in Gnaden Nach der Heimat hin.
Das ist deine Stille. Ja ich hör dich schon. Salbei und Kamille, Thymian und Mohn,
und schon halb im Schlafen -- Mohn und Thymian -- landet sacht im Hafen nun der Nachen an.


KLEINE FUGE
Brauner Wald, Süßes Haar, Locke wild und wunderbar.
Rehgestalt, Mond und Schnee, kühler Körper weich und weh.
Schale, zier mir bewahrt, so zerbrechlich, oh so zart!
Wunder Mund, abgrundhaft: Leidens Mal, Leidens Kraft.
Leidens Kraft, Leidens Mal, so zerbrechlich, oh, so schmal!
Mir bewahrt, mir bewacht lang durch bittre Menschennacht.
Mond und Schnee. Leis verfällt Mund und Braue, Weg und Welt,
nur der Stern „Schläfenblau“ steht am Himmel, schönste Frau!


Um hier nochmals die Geduld für den bereits viel zu langen Blog in Anspruch zu nehmen, ein für viele überraschendes Gedicht:


ARBEITER
Wir Hände Millionenmal, in Werkstatt und Maschinensaal den Griff zu machen hingestellt; gleich reich, gleich arm in aller Welt. Gedungen für den Bissen Brot, aus Nöte dienend einer Not, alltage unten, alltag klein, mit Worten nimmer zu befrein, so lang geduldig, Weib, Kind, Mann, als uns ein Herr befehlen kann.
Des freien Himmels lang entwöhnt, durch ein Stück Garten ausgesöhnt, mit Gras und Zaun und Laubenbank, so wüssten wir dem Leben Dank, so wär die arbeit nicht so schwer, wenn nur schon wieder Arbeit wär. Daß aber immer Arbeit sei, steh uns ein gutes Scicksal bei, damit die oben, Mann, Weib, Kind, wahrhaben, daß wir Menschen sind.


Stimmt es nicht nachdenklich, daß von Weinheber einen (wohl mehrfach politisch irrenden) Arbeiterkind aus Ottakring diese sozialkkritischen Verse stammen? Wissen die Weinheber verdammenden eigentlich wen sie da ablehnen? Ahnen die apodiktischen Kritiker, daß sie da auf der Bewusstseinsebene gegen einen der ihren argumentieren?

Ottokar Irschik
(siehe extremste Verschuldung durch Spekulationspech bei Schweizer Franken) und natürlich auch nicht um die Vergangenheit macht.
Ich finde es wichtig, und auch mutig von Manfred Bauer das aufgegriffen zu haben. Denn gerade bei den aktuellen Abgründen, vor denen Europa gerade steht, ist ein Blick in unsere Vergangenheit ganz sinnvoll. Es kann jetzt wirklich auch schnell gehen, dass sich tragische Irrtümer wiederholen .- Ich denke, es gibt genügend Beispiele mit einem entsprechenden Umgang mit fragwürdigen Denkmälern, die Gemeinde sollte sofort eine Gruppe zusammentrommeln, die für Lösungen finden; ich glaube, es gibt genügend Leute dafür in Purkersdorf Aber ich denke, wir sollten die Gelegenheit nützen, die unselige Vergangenheit systematisch aufzuarbeiten. Es gab diverse Ansätze, aber es ist im Gegensatz zu vielen anderen Städten nicht umfassend geschehen. Bei uns ist noch immer eine „Herr Koarl“-Mentalität (damit ist nicht der Bürgermeister gemeint, sondern die Qualtinger-Figur), gepaart mit geschichtsloser Schick-Micki-Einstellung stark. Noch ein Wort zu Alfred Czernoch. Ich weiß nicht, wie die Entscheidungen in den 60erJahren zu diesem Denkmal liefen. Aber ich möchte zu bedenken geben, dass Alfred Czernoch damals als KPÖ-Gemeinderat mit seiner Liste genau einen Sitz hatte. Eine Zustimmung von Alfred Czernoch zum Denkmal interpretiere ich so: Alfred war einfach ein sehr großzügiger Mensch (wenn auch bescheiden lebend). Als „rassisch“ und politisch von den Nazis Verfolgter und Überlebender des Terrors hatte er eine sehr positive Lebenseinstellung und „verdrängte“ so negative Tendenzen. (Legendär ist sein dezenter Hinweis, dass sich der Kameradschaftsbund auch Jahrzehnte nach dem Krieg noch vor den Russen fürchtet; dies hatte zur Folge, dass der Kameradschaftsbund dann – er wollte sich nicht der Feigheit bezichtigen lassen – erstmals auch am 1. November zum Russenfriedhof mitging). Er hatte das Image eines „Gentleman“, und war kulturell und vor allem literarisch sehr interessiert. Das alles zusammen ist eventuell der Hintergrund für seine Mitwirkung an der Denkmals Entscheidung, wie immer diese ausgesehen haben mag.


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