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manfred bauer ® sagt am 02.05.2007 11:17 zu Schlagitweit ®:Erster Beitrag

Re: Re: armut hat konjunktur


Lieber Manfred, der Befund ist ja nicht neu. Neu ist, dass in Person Buchingers jetzt auch REgierungsmitglieder Tatsachen zur Kenntnis nehmen, die jahrelang schlicht keiner politischen Behandlung Wert schienen. Schon zur Zeit der Koalitionsverhandlungen haben wir in diesem Forum darüber debattiert, ob eine künftige Regierung auch für Lösungen zu haben sein wird. Ich war skeptisch und ich bleibe es weiterhin. Ich traue der SPÖ nicht zu, dass sie für eine zukunftsfähige Lösung in einem zentralen gesellschaftspolitischen Bereich einen Koalitionskonflikt riskiert. Ihr sind die Ruhe, der Frieden mit Molterer und die eigenen Ämter wichtiger als die Anliegen der halben Mio. Armer und der Mio. Armutsgefährdeter.
Mit der Forderung nach einer Grundsicherung hat die SPÖ wahlgekämpft. Studien und KOnzepte dazu gibt es zur Genüge, sie sind fertig, warten nur auf die Umsetzung. Doch dazu bedarf es der politischen Bereitschaft und einer Portion Mut. WEnn dann eine Art Sozialhilfe neu herauskommt, sehe ich das als Indiz für Mangel an: Bereitschaft UND Mut.
Wenn wir uns selber lautstark in der Illusion wiegen, dass sich mit dieser Regierungskoalition Fundamentales erneuern lässt, so streuen wir damit nur den Betroffenen Sand in die Augen. Politische Veränderungen sind ein langfristiges Projekt. Auf die Analyse kann die Aufklärung folgen: neue politische Konstellationen braucht das Land.

Lieber Christian!
Dein erhobener Zeigefinger nervt ein wenig: Natürlich ist der Befund nicht „neu“, die Studie illustriert jedoch das ungebremste Wachstum von Armut und Armutsgefährdung hierzulande, sie zeigt aber auch, dass erstmals nach sieben Jahren endlich ein Entscheidungsträger mit Regierungsverantwortung diesen Trend UMKEHREN will. Zu Deiner Skepsis gegenüber der SPÖ und ihrem Potential, gesellschaftspolitische Projekte in dieser Koalition umzusetzen, lässt sich ungeschminkt festhalten, dass der Regierungsstart enttäuschend war (Studiengebühren, Eurofighter, Erbschaftssteuer etc), dass sich die SPÖ aber, salopp formuliert, erfangen hat (trotzdem wäre mir eine Minderheitsregierung oder eine "linke" Koalition lieber). Ihre Initiativen in Richtung Gesamtschule, Familienrechtsreform, Wahlaltersenkung, Verbreiterung der Pendlerpauschale, 67. ASVG-Novelle mit weit reichenden Verbesserungen im Pensionsrecht u.a.m. lassen die Hoffnung bestehen, dass sich auch im zentralen gesellschaftspolitschen Feld „Einkommensverteilung“ hinkünftig fundamentale Reformprojekte umsetzen lassen: ein garantierter Mindestlohn scheint hier schon eine gute Perspektive zu sein, die Distanz zwischen der Mindestsicherung Buchingers und dem Grundeinkommen, wie es die Zivilgesellschaft fordert, wird sich auf dem Hintergrund des jüngsten Befunds wohl verringern (müssen). Diese Hoffnung hat weniger mit „Illusion“ als mit der tiefen Überzeugung zu tun, dass in jeder Utopie – im konkreten Fall dem bedingungslosen Grundeinkommen für alle - ein realer Kern steckt. Für seine Verwirklichung über Parteigrenzen hinweg auch im regionalen Bereich (z.B. über puon) zu mobilisieren und damit Perspektiven für neue politische Konstellationen zu öffnen sowie die Debatte zu fördern, ist wohl Teil von Analyse und Aufklärung und hat nichts damit zu tun, den Betroffenen Sand in die Augen streuen zu wollen. Manfred Bauer

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