Purkersdorf Forum Archiv 2004
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Josef Baum ® sagt am 29.12.2004 16:54 zu Bürgermeister ®:Erster Beitrag

Re: PISA-Test: Abbau der Schlögl-Schulden dauert ...


S.g. Herr Bürgermeister! Lieber Karl!
1. Ich nehme zunächst an, dass du tatsächlich diesen Beitrag geschrieben hast.
2. Ich sehe die Art deiner Stellungsnahme als Schritt in eine sinnvolle Richtung, nämlich weg von der reinen Propaganda („Musterstadt in Sachen Schuldenabbau“ - , „Gewinne“ der Gemeinde) hin zu einem Messen der Argumente.
3. Dass in lesbaren Kurzbeiträgen nicht alles gleichzeitig gesagt werden kann, und das dann von manchen als einseitig empfunden wird, ist schwer vermeidbar. Eine sinnvolle Diskussion zur (finanziellen) Zukunft der Gemeinde, wo die Macht der Argumente zählt, wäre sehr wünschenswert. Vielleicht wäre dazu einE ModeratorIn zweckmäßig. Wobei ich glaube, dass dazu nicht zwei, sondern mehr TeilnehmerInnen gehörten.
4. Ein erster Schritt wäre einmal, alle Fakten auf den Tisch zu legen; und dann möglichst von gemeinsam akzeptierten Fakten auszugehen. Das klingt einfach, wäre aber schon viel. Das Modell der österreichischen Sozialpartnerschaft, über deren Sinnhaftigkeit ich mich hier nicht äußern möchte, beruhte jedenfalls auch darauf, dass Grunddaten außer Streit gestellt wurden.
Zum Beispiel eine Frage: wie ist das mit den Schulden der Wipur, der Gemeindetochterfirma? Sind die dort geparkten Schulden einbezogen?
5. Mir ist klar, dass manche anderer Meinung sind: Und ich verstehe an sich auch die Kritik, dass eine solche Diskussion nur „Wahlkampf“ sei. Nur: Wann, wenn nicht jetzt vor Wahlen, sollen die Frage nach der Zukunft der Gemeinde(finanzen) gestellt und diskutiert werden?


Ausgangpunkte einer ernsthaften Finanzdiskussion sind aus meiner Sicht:
· Purkersdorf als eine der meist verschuldeten Gemeinden Österreich · Folgen eines schon zweimal verzögerten Tilgungsaufaufschubs · Kein ernsthafter Finanzplan · Risken durch vollzogene und geplante Finanzspekulation (Umschuldung in Schweizer Franken, Crossborder leasing


6. Purkersdorf gehört pro Kopf zu den meist verschuldeten Gemeinden Österreichs .- Andererseits wird dies dadurch abgemildert, dass Purkersdorf von der Gemeindeeinnahmenstruktur – im Vergleich – nicht zu den armen Gemeinde gehört
7. Die Schulden-Rückzahlungen, die 2002 fällig gewesen wären, wurden auf 2004 verschoben und dann nochmals auf 2006. Was ist 2006? Verschieben wir dann auf 2008? Eine nüchterne Antwort sollte darauf ein mittelfristiger Finanzplan geben.

8. Das Wort „mittelfristiger Finanzplan“ erregt schon seit über 15 Jahren Leute, die nur bis zum nächsten Geburtstag denken. Ich fordere das seit langem. Seit einigen Jahren ist ein solcher Finanzplan vorgeschrieben, aber – und da sind sich glaub ich ausnahmsweise alle in Purkersdorf jedenfalls unter 4 Augen einig – der offizielle mittelfristiger Finanzplan ist nicht das Papier wert, auf dem er steht; und wird als lästige Pflichtübung empfunden
9. Statt einem Finanzplan gibt es (bzw. gab es bis jetzt) Propaganda pur: so schrieb der Bürgermeister in seiner Parteizeitung zuletzt: „Damit ist Purkersdorf eine Musterstadt in Sachen Schuldenabbau und effektive Verwendung von Finanzmittel.“ Der Hintergrund dazu ist einfach: Das Land Niederösterreich hat Purkersdorf aufgrund der Spitzenverschuldung unserer Gemeinde, die vom Bürgermeister zu verantworten ist, praktisch weitere Kredite verweigert. Die Kreditrückzahlung wurde zwar so weit wie möglich zwar immer wieder aufgeschoben. Aber einige Kredite mussten doch zurückgezahlt werden. Ich versehe, dass man gerne aus der Not eine Tugend machen möchte. Aber: Ist das die „Musterstadt in Sachen Schuldenabbau“?

10. Lieber Karl! Meine PISA-Aufgabe ging von der Schuldenentwicklung 2000-2004 – das ist deine letzte Bürgermeisterperiode. Das ist ein mittlerer Ansatz. Ich verstehe, dass du dir die Periode 2001-2004 lieber aussuchst, denn da schaut es besser aus. Nur da antworte ich eben wieder: Der Verlgeich mit 1999, dem letzten ganzen Eripek-Jahr, bringt sogar einen Zuwachs an Schulden. Daher: nehmen wir keine einseitige Vergleichsperiode, zur Fortschreibung der Zukunft
Im übrigen: Man verbessert die PISA-Ergebnisse nicht, indem man die Fragen umdefiniert.
11. Dein Argument, dass mit den Schulden Werte geschaffen wurden, ist zwar alt, aber sicher richtig. Es wäre ja sehr schlimm, wenn das Geld einfach verschwunden wäre.
Allerdings widerlegt das leider nicht mein Herangehen: Zunächst zwei weniger wichtige Argumente dazu: Nicht jede Firma, die investiert und damit viel Werte schafft, ist zukunftssicher Die Werte bringen nur zum geringen Teil direkte Gemeindeeinkünfte. Aber das ist – zugegeben – nur ein beschränktes Argument; denn es vieles auch wichtig, ohne dass es direkte Einkünfte bringt (Immerhin: Manches brachte allerdings sogar laufende zusätzliche Abgänge wie Stadtsaal oder Bad). Ich hab immer kritisiert, dass wenig zur Schaffung von ordentlichen Arbeitsplätzen – mit nachhaltigen Einnahmen für die Gemeinde - gemacht worden ist. Andere Gemeinde haben speziell kleinere innovative Unternehmen gefördert , haben Gewerbe- und Dienstleistungsparks gemacht, haben zur Ansiedlung von Unternehmen Gemeindeangestellte beauftragt; wir aber haben vor allem schike events und Auslagenwettbewerbe gemacht, von denen nicht viel blieb. Zum Glück ist uns einiges zugewachsen – wie die Bundesforstezentrale Die Werte vermindern sich natürlich auch im Laufe der Zeit (werden „abgeschrieben – pardon , das ist banal)
12. Ein wichtiges Argument ist: Seit vielen Jahren wird bewusst oder unbewusst so getan, als sei jetzt alles wesentliche getan, und in Zukunft seien keine größeren Investitionen mehr notwendig. Diese Überlegung war in Wirklichkeit der reale Finanzplan. Damit konnte man eben in der Gegenwart noch ordentlich zugreifen. Doch das hab ich immer für kurzsichtig und eine Illusion gehalten: Jetzt müssen wir schon zur Finanzierung des Bahnlärmschutz zu diversen Tricks greifen. Was ist z. B. , wenn die Sanierung der Wasserleitung ansteht, die bekanntlich alt und ziemlich gebrechlich ist?
13. Du redest von „Manövriermasse“? Wo ist die, wenn wir nicht wieder die Tilgung aufschieben?
14. Du redest von den ebenfalls gestiegenen Einnahmen der Gemeinde. Natürlich steigt gottseidank alles an. Der Hauptgrund für dieses Ansteigen , lieber Karl, liegt aber einfach im Bevölkerungswachstum, durch das wir über den Finanzausgleich mehr Mittel bekommen. Das ist gut; jedoch es bedingt ja mehr Ausgaben. Du schreibst von gestiegenen Einnahmen; aber sind die Ausgaben nicht genauso gestiegen? Was bleibt von diesem Argument?

15. Und nun zum Kern, den ich leider nicht weglassen kann: Dass Purkersdorf zu den übermäßigen Schulden gekommen ist, liegt an zu einem wesentlichen Teil an deiner Politik: daran, dass du – positiv gesagt – gerne gefällig ist. Viel wurde so zu dick aufgetragen. Zum Beispiel meines Erachtens das Bad. Und da gibt es noch ein Menge. Aber wenn ich jetzt schriebe, dann gibt’s sofort einen Anruf: „ Der kritisiert, dass ihr einen so schönen Bau bekommen habt“ usw. Daher belasse ich es bei diesem Beispiel
16. Weiters zum Kern der Sache: Denn ohne Erkennen der Ursachen keine Therapie: Viel kleines läpperte sich: etwa das teure Vierfarbenamtblatt und diverse einsame Personalentscheidungen mit langfristigen schweren Konsequenzen für die Gemeindefinanzen.
17. Alldem gemeinsam ist: Das kurzfristige Denken - das sicher sehr menschlich ist – aber meines Erachtens nicht die Haupteigenschaft eines Gemeindechefs sein soll. Dem entspricht natürlich das mangelnde Sensorium für die Zukunftsfragen der Menschheit – die Umwelt-, Energie und den damit zusammenhängenden globalen Verteilungsfragen. Doch das wäre wieder eine andere Geschichte. Und dem entspricht auch dein Hang als Rechtsverbinder. Auch das war ja zeitweise sehr en vogue und wurde von der Krone sehr geschätzt. Aber das ist schon Geschichte; und du hättest es bei anderem Wind auch nach links gemacht. Also hier nicht wichtig.
Ja und warum ist das kurzfristige Denken nicht angemessen: weil ist die Möglichkeiten für die Zukunft für uns und die folgenden Generationen so einschränkt; weil es konkret die Spielräume und damit die Entscheidungsfreiheit für viele Jahre und Jahrzehnte in Purkersdorf klein gemacht hat.
18. Du hast die Gemeindeprojekte immer fast so kommuniziert, als sei das Geld aus deiner Hosentasche gekommen. Du kommst nicht umhin auch die volle politische Verantwortung für die jetzige Misere der Finanzen zu übernehmen.
19. Wenn nicht nach dieser Wahl - irgendwann kommt in Purkersdorf die Stunde der Wahrheit: Es wird einen Kassasturz und einen ernsthaften Finanzplan geben.
Daher zu guter letzt ein Dank: Unsere Liste ist – unfreiwillig – auf diesen Zeitpunkt gut vorbereitet. Denn wir haben alle unsere Projekte – und das sind nicht wenig, nur mit minimalem Geld realisieren können. Das haben wir dir zu verdanken: da du uns bzw. mich an den Rand geschoben hast, nur Brösel etwa für Umweltprojekte über gehabt hast, haben wir gar nicht anders können, als zu lernen wie mensch mit Knowhow, Kontakten und ohne viel Geld doch etliches erreichen kann: siehe Biomassseheizwerk, Stadttaxi, Biosphärenpark, Verkehrssicherheitsmaßnahmen


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