Purkersdorf Forum Archiv 2001
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Gunnar sagt am 10.08.2001 23:12 h zu Martin:Nächster Beitrag

Re: Genua, Diskussionskultur, Tötungsbereitschaft


Hallo Martin!
>Österreich kauft bestimmt keine Kriegsgeräte um zu zeigen wie stark > oder mächtig wir sind.Ansonsten müsste in jeder Stadt eine Kaserne > stehen.Nur ein jeder Staat hat die Pflicht und Aufgabe sein Gebiet zu > schützen.
1.) Kriege gewinnt man nicht dadurch, daß in jeder Stadt eine Kaserne steht, denn Handfeuerwaffen sind im Raketen- bzw. Atomzeitalter etwas aus der Mode gekommen ... 2.) Wo steht, daß jeder Staat die Pflicht hat, sein Gebiet zu verteidigen und wer hat dieses "Gesetz" geschrieben? - Ein Waffenproduzent?
> Und du solltest auch bedenken das gerade das österreichische Bundesheer > an 2. Stelle im internationalem Vergleich liegt wenn es um > Friedensschaffende(Kosovo) oder Friedenserhaltende(Golan,Zypern) > Einsätze geht.Nur Kanada hat mehr Soldaten für solche Missionen > losgeschickt.
1.) Frieden mit Waffengewalt zu erzwingen kanns ja wohl nicht sein, oder? 2.) Bist Du darüber informiert, daß in diversen Kriegsgebieten VOR ALLEM von UNO- (und mit der UNO sympathisierenden) Truppen tausende TRETMIENEN ausgelegt wurden, an denen noch immer hauptsächlich Kinder brutalst verstümmelt werden? (Kinder klettern mehr im Freien in den Büschen rum - darum trifft es sie häufiger als Erwachsene.) Es gab auch ziemlich heftige Kritik gegen die Benutzung von URAN-MUNITION, die bereits für amerikanische Soldaten (die ja viel kürzer in dem Gebiet waren, als die Zivilbevölkerung) spürbare Auswirkungen mit sich brachte (Leukämie, Krebs ...). Meinst Du nicht, daß der sogenannte "Friede" mit einem teuren Preis bezahlt wurde? Ich sehe wenig Unterschied zwischen Freund und Feind, wenn mir der sogenannte Freund mein Essen vergiftet und meine Kinder metzelt, während mir der Feind "nur" meine Kultur rauben und mich "versklaven" will. Ich würde sagen hier gehts um die Wahl zwischen Pest und Cholera ... 3.) Am Rande bemerkt: Die Soldaten der Maria-Theresien-Kaserne wurden in ihrer gesamten Geschichte nur dazu benutzt, DAS EIGENE VOLK im Zaum zu halten. Selten (laut meiner Information sogar niemals) kämpften die Leute gegen ausländische Streitkräfte. Klar, wenn alle Systemkritiker im Knast sitzen - oder abgemurkst sind -ist freilich Frieden: zumindestens innerpolitisch...
> Nun zu dem tragischen Tod des Demostranten in Genua.Versetzt euch mal > in die Lage des jungen Polizisten der in einem Fahrzeug sitzt und > gewalttätige Leute mit Stöcken und anderen Mitteln versuchen das > Fahrzeug zu stürmen.Wie würdet ihr reagieren wenn ihr mit so viel Wut > und Zorn angegriffen werdet.Es wird immer nur von dem armen > Demonstranten gesprochen oder geschrieben.
1.) Laut inoffiziellen Angaben wurde der Demonstrant von hinten (oder hinten/seitlich erschossen). In diversen Printmedien konnte man auch davon lesen, daß der Polizist keinesfalls aus Notwehr geschossen hat. Es wurde auch darüber berichtet, daß die Beamten ihn nach dem Schuß noch dreimal überfahren haben... ZITAT WIENER ZEITUNG Mi.1.August 2001: In einem Interview mit der Zeitung "Corriere della Sera" von Dienstag sagte ein Zeuge, er habe die gezückte Waffe des Polizisten gesehen und ihn schreien hören:"Bastarde, ich werde euch töten, ich werde euch töten."
Hast Du übrigens mitbekommen, daß es eingeschleuste Prügelpolizisten waren, die den "schwarzen Block" aufgehetzt haben? POLIZISTEN HABEN MIT EISENSTANGEN RADAU GEMACHT!
Zu Deiner Frage wie ich reagieren würde: Ich würde an einem solchen Tag sicher keine geladene Pistole mit mir herumtragen - auch wenn ich Polizist wäre!
Soviel zu Deiner Wortmeldung. Frohsinn Gunnar

PS: Ich empfehle folgende Zeitungen: Salzburger Nachrichten, Wiener Zeitung, Falter, Presse, Tatblatt, Kronenzeitung. Die letzten beiden sind sehr interessant wenn man sich beide nebeneinander legt und durchliest...
Im Web empfehle ich: www.ballhausplatz.at www.no-racism.net/nobordertour www.members.blackbox.net/karin.eitel

PS2 Hier noch einige Zeitungsmeldungen die mir interessant erscheinen: AUSZÜGE AUS DEM STANDARD VOM 4./5. AUGUST 2001 Seite 35 "Ich bin ein 18-jähriger Jugendlicher, praktizierender Katholik. Vor einem Jahr war ich mit zwei Millionen Jugendlichen beim Weltjugendtreffen in Rom, um den Worten des Papstes zu lauschen, der zu uns gesagt hat: Ihr sollt nicht resignieren vor einer Welt, in der andere Menschen verhungern, Analphabeten bleiben und arbeitslos sind. Ihr werdet euch mit aller Kraft anstrengen, diese Welt bewohnbar für alle zu gestalten. Ich gab mich der Illusion hin, daß es die Pflicht jedes Christen ist, sich zu engagieren. Ich fuhr nach Genua, um eine gerechte Welt zu fordern. Was ich dort gesehen habe, hat einen ganz irrealen Geschmack. Wenn ich nicht blaue Flecken und Schwellungen auf dem Rücken hätte, würde ich nicht glauben, brutal geschlagen worden zu sein, während 50 Meter von mir entfernt drei Mitglieder des schwarzen Blocks (vermutlich VERMUMMTE POLIZISTEN Anm.G.P.), die mit Stöcken bewaffnet waren, zusahen, lachten und ganz ungestört waren. Ich war Teil jener Gruppe von Pazifisten, die auf dem Lungomare von der Polizei eingekesselt worden sind. Ich war einer jener Demonstranten, die hofften, die Schläge der Exekutive zu stoppen, indem wir mit erhobenen Händen am Boden saßen und "Friede" riefen. Die Polizei hat uns trotzdem attackiert. Ich habe versucht, mich an einer Mauer zu schützen. Um mich herum flogen Tränengasbomben, die vom Hubschrauber abgefeuert worden waren. Ich hörte Schreie und dumpfe Schläge... Ich lag am Boden, ein Mitglied der Guardia di Finanza schlug auf mich ein. Ich weinte, aber er schlug mich. Sonntag habe ich den ganzen Tag geweint. Abends bin ich in die Messe gegangen. Als ich unter Menschen war, hatte ich Angst. Mehr als der Rücken tut mir das Herz weh."

***
Besonders drastisch ist die Schilderung von Gian Paolo Ormezzano, der seinen Sohn nach dreitägiger Isolationshaft mit einem gebrochenen Wirbel, einer mit acht Stichen genähten Platzwunde im Gesicht und Spuren von schweren Mißhandlungen von Gewehrkolben und Fußtritten am gesamten Körper wiedersah. "Was soll ich meinem Sohn sagen? Jetzt höre ich nur sagen, daß er nicht nach Genua hätte gehen sollen. Er hat doch nichts Schlechtes getan. Er hat als neugieriger, angehender Kammeramann die ereignisse gefilmt (die Kamera ist verschwunden). Sie haben meinem Sohn die Freiheit wiedergegeben, aber nicht den inneren Frieden. Was soll ich tun? Wie soll ich mit ihm sprechen über Legalität, ein ehrliches Leben, freiheit, Demokratie, über den Respekt vor den menschenrechten und über Pflichten? Ich kann nicht so eingebildet sein zu glauben, daß nicht auch ich am Aufbau dieser schmutzigen Welt in einer gewissen Weise beigetragen habe. So bin ich bereit, mit eine schwere Verantwortung auf mich zu nehmen. Ich habe Mühe, die langen und konfrontativen, aber auch positiven diskussionen mit meinem Sohn wieder aufzunehmen. Ich schaffe es nicht, für ihn, aber auch für mich, Haltegriffe zu finden."

DIE PRESSE SA.4.8.2001
Seite 5 BERICHT DES GENERALKONSULATS Ein Mitarbeiter des österreichischen Generalkonsulats Mailand führte Gespräche mit den männlichen Mitgliedern der Volxtheather-Karawane, die in Genua inhaftiert sind. In einem Bericht, den er am 2.August an das Außenministerium sandte, faßte er die Mißhandlungsvorwürfe zusammen. "In einem Gang mußten sie stundenlang auf einem Steinboden sitzend warten, mit angezogenen Beinen (...). Wer aufblickte, wurde geschlagen (meist mit der flachen Hand ins Gesicht, gelegentlich auch mit Knüppeln). Wer sich weiter aufsetzte, wurde ebenfalls geschlagen." "Während der Leibesvisitation schauten auch andere, junge beamten zu und machten sich lustig. Einer mußte nackt mit dem Gesicht zur Wand Kniebeugen machen. Bei jeder Beuge Richtung Boden wurde ihm dabei in den Hodenbereich geschlagen." "We sich hinlegen wollte, wurde geschlagen. wer schlafen wollte, wurde sofort aufgeweckt. Einer wurde auf die Toilette geführt. Dort wurde ihm beim Urinieren zugeschaut. Als er sich beim Hinausgehen die Hände waschen und etwas Wasser trinken wollte, wurde em mit einem Schlag auf den Kopf verweigert."

La Repubblica schilderte am Freitag den Fall eines Unternehmers syrischer Abstammung. Der Mann, dem ein Bein fehlt, sei nach der Verhaftung in der Polizeistation von Bolzaneto stundenlang gezwungen worden zu stehen, ohne sich setzen zu dürfen. Mittlerweile untersuchen Oberinspektoren des italienischen Innenministeriums die Vorgänge in Genua.

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