Purkersdorf Online

"Hilfeeeeee!!!" und niemand kommt


Welche Auswirkungen hat Landflucht als Folge einer regionalen Fehlentwicklung, auf die Funktionstüchtigkeit ehrenamtlich geprägter Hilfsorganisationen?

Oder:

Die Rolle des Feuerwehrfestes im globalisierten Dorf.

Seminararbeit anlässlich der Vorlesung 731.380 A
Nachhaltige Entwicklung I – Grundlagen nachhaltigen Wirtschaftens
Prof. Dr. Jürg Minsch Universität für Bodenkultur Wien

clemens liehr
h9840220, 920
c.liehr@gmx.at
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Sicherheit als zentrales Bedürfnis der Gesellschaft

Gerade heute, in einer Zeit in der Sicherheit eines der beherrschenden Themen der Medien und der öffentlichen Diskussion ist, genießen ehrenamtliche Hilfsorganisationen die im Dienste der Allgemeinheit stehen einen sehr guten Ruf. Im Notfall kann man in Österreich binnen Minuten mit professioneller Hilfe rechnen, die gesetzlich vorgeschriebenen Hilfsfristen, also die Zeit zwischen Notruf und Eintreffen des ersten Einsatzmittels, wird meist eingehalten. Dafür stehen Tag und Nacht und auch an Feiertagen Menschen im Einsatz, die es sich zur Aufgabe gemacht haben anderen die in Not geraten sind zu helfen und dafür sogar bereit sind ihr eigenes Leben auf das Spiel zu setzen. Tagtäglich bringen die Medien Berichte von plötzlichen und unerwarteten Ereignissen, die Schmerz, Unglück, Leid und Tod zum Inhalt haben und jedes Mal waren Helfer und Helferinnen im Einsatz um Schäden zu verhindern, oder zumindest zu begrenzen.

In Österreich wird die Sicherheit der Menschen in Friedenszeiten im Grunde von drei Säulen getragen. Feuerwehr, Polizei bzw. Gendarmerie und Rettungsdienst, die, wie wir alle wissen sollten über die Notrufnummern 122 , 133 beziehungsweise 144 rund um die Uhr zu erreichen sind. In folgendem Text wird speziell auf den Rettungsdienst eingegangen, der in Österreich einen ehrenamtlichen Ursprung hat und noch immer sehr stark vom Ehrenamt geprägt ist.

Wie ist das Rettungswesen organisiert?

Insgesamt gibt es in Österreich fünf anerkannte und traditionsreiche Organisationen, die als Non Profit Organisationen (NPO) im Rettungsdienst tätig sind. Dies sind das Österreichische Rote Kreuz, Samariterbund Österreichs, Johanniter Unfallhilfe, Malteser Hospitaldienst und die Berufsrettung Wien die als Sonderfall zu zählen ist, da sie von der Gemeinde Wien als öffentlichen Träger betrieben wird und dort kein ehrenamtliches Personal zum Einsatz kommt. Anzumerken ist, dass seit den letzten Jahren vermehrt gewerbliche Kranken- und Rettungstransportunternehmen auf den „Markt“ drängen und versuchen sich in diesem Sektor zu etablieren. Auch in diesen Unternehmen, die nicht als NPOs zu zählen sind, werden ehrenamtliche MitarbeiterInnen beschäftigt.

Durch die derzeit vieldiskutierte Finanzierungskrise des Sozialstaats kann man eine Ausrichtung der Sozialpolitik hin zu mehr Selbst- und BürgerInnenverantwortung, zu mehr Wettbewerb und Markt ausmachen, die von politischer Einigkeit getragen wird.

Dieser Wettbewerb betrifft nicht nur den privat-gewerblichen Sektor, sondern ebenso die verstärkte Konkurrenz untereinander, sei es um Mitglieder, um Spender oder um ehrenamtlich Tätige (Mayer, K. 2002).

Durch den Umstand, dass in Österreich zu keinem Zeitpunkt ein einheitliches Rettungswesen eingeführt wurde und es oft lokale und regionale Unterschiede in der Art und Durchführung gegeben hat, fehlt ein einheitlicher Charakter. Erst seit 1. Juli 2002 ist ein so genanntes SanitäterInnengesetz in Kraft, dessen Sinn eine Vereinheitlichung der Ausbildungs- und Ausrüstungsstandards ist, da es oftmals Unterschiede der Lehrmeinungs- und Ausrüstungsstandards der verschiedenen Rettungsorganisationen gegeben hat. Angemerkt sei, dass die Europäische Union bestrebt ist einheitliche Rettungsstandards einzuführen, um europaweit eine qualitativ hochwertige prä-klinische Notfallversorgung gewährleisten zu können.

Der Aufgabenbereich „Rettungsdienst“ umfasst genau gesagt den Rettungs- und Krankentransportdienst. Der Unterschied liegt darin, dass Rettungstransporte Notfälle und Krankentransporte Fahrten ohne Dringlichkeit sind, wie zum Beispiel der Transport eines Patienten eines Altersheimes zur Röntgenkontrolle in einem Krankenhaus. In den Anfängen des Rettungsdienstes, als die ersten Einsatzstellen gegründet wurden kam durchwegs ehrenamtliches Personal zum Einsatz. Damals war der Einsatzbereich auf Rettungstransporte beschränkt, denn einen Bedarf an Krankentransporten gab es kaum und lange nicht in dem enormen Ausmaß wie heute. Weiters war das Ausbildungsniveau bei weitem nicht so hoch wie heute und es kam die Einsatztaktik „load and go“ zur Anwendung, was so viel bedeutet, dass die Priorität damals darauf lag, dem Verletzten so schnell als möglich eine ärztliche Versorgung im Krankenhaus zukommen zu lassen.

Damals waren auch die Verletzungsmuster andere als heute. Zivilisationskrankheiten wie Herzerkrankungen, die in der Gegenwart die häufigste Einsatzindikation sind, gab es damals in dieser Quantität nicht. So haben sich seit Kilometer exorbitant vervielfacht, was letztlich einen erweiterten Bedarf an Personal zu Folge hatte. Zu den ehrenamtlich Tätigen kamen jetzt also auch hauptberuflich angestellte SanitäterInnen. Im Jahr 2002 waren beim Österreichischen Roten Kreuz 33.128 SanitäterInnen ehrenamtlich und 4.898 hauptberuflich im Rettungs- und Krankentransport tätig (ÖRK, 2002). Hier ist anzumerken, dass der Transportbedarf in ländlichen Gebieten noch immer stark mit den urban geprägten Gegenden differenziert. In ruralen Bereichen gibt es auch einen Unterschied im Umgang mit Krankheit und Verletzung. Alte und Kranke werden vielfach im Familienverband betreut und medizinisch notwendige Fahrten, zum Beispiel zum Arzt, werden sehr oft selbst bewältigt. Transporte von Patienten der Altersheime hingegen, die meist in städtischen Gebieten zu finden sind, werden meist von Rettungsorganisationen oder gewerblichen Krankentransportunternehmen durchgeführt.

Landflucht

In den letzten Jahren kam es zu einem massiven Wandel der Erwerbstätigkeit, der sich vor allem im ländlich geprägten Bereich deutlich merkbar abzeichnet. Viele Menschen waren früher in der Agrarwirtschaft tätig, die meist in der näheren Umgebung des Wohnortes lag, andere waren in der lokalen und regionalen außeragrarischen Wirtschaft beschäftigt. Durch ausreichendes Arbeitsangebot einerseits und das beschränkte Mobilitätsangebot andererseits, gab es kaum ArbeitnehmerInnen, deren Arbeitsplatz weiter entfernt war als es die damaligen Fortbewegungsmöglichkeiten zuließen. Heutzutage ist die Erwerbstätigkeit vielfältiger und durch gesteigerte Mobilität werden weite Entfernungen in Kauf genommen, um an den Arbeitsplatz gelangen zu können. Fehlende Erwerbsmöglichkeiten in der Region können hier einen Teufelskreis auslösen.

Neben der „Pendler-Bewegung“ kommt es auch zu einer Abwanderung von Menschen die oft jung und in der Regel gut ausgebildet sind. Die betroffenen Regionen trifft dieser Verlust hart. Dass diese Menschen dann dort „fehlen“ merkt man nicht nur anhand der Hilfsorganisationen die einen Mangel an Freiwilligen zu verzeichnen haben, die gesamte soziale Struktur dieser Regionen leidet unter dieser Entwicklung.

Angemerkt sei, dass seit Beginn der ersten Förderperiode der EU, in Österreich insgesamt EUR 12 Mrd. in den Bereich der Ländlichen Entwicklung geflossen sind (Burgenländischer Agrarkurier, 2005). Es geht Know-how, Tatkraft, Steuerleistung, Kaufkraft, Nachwuchs, Optimismus und politisches Gewicht verloren. Die regionale und lokale Wirtschaft wird weiter geschwächt, die Finanzkraft der Gemeinde und damit ihre Investitionsfähigkeit sinkt, die Nahversorgung noch mehr ausdünnt, die Überalterung der Bevölkerung Platz greift, das Gemeinschaftsleben stirbt und damit eine „no-future-Stimmung“ entsteht, die der Abwanderung neue Nahrung gibt (Weber, G. 2002).

Das heißt also, dass die verbleibenden Bewohner untertags auspendeln und erst nachmittags oder abends heimkehren, wodurch schon ein großer Teil an Humanressource wegfällt, der tagsüber „Dienstmachen“ könnte. Das führte im Bereich der Freiwilligen Feuerwehren schon so weit, dass in kleinen Gemeinden eine ständige Dienstbesetzung rund um die Uhr nicht mehr möglich ist, was sarkastisch ausgedrückt schnell zu brenzligen Situationen führen kann. Weiters müssen die sozialen Folgen des Verlusts an ehrenamtlichen Organisationen, speziell im ländlichen Raum berücksichtigt werden, da sie vor allem in diesen Gebieten ein Zentrum des Soziallebens bilden (Badelt, Ch. 1999). Andrea Baier und Veronika Bennholdt-Thomsen (2003) sprechen in diesem Zusammenhang vom Dorf als Nukleus, das wie wir es kennen so genanntes soziales Kapital schafft. Bei den Vereinen, im Gasthof, beim Feuerwehrfest…man kennt sich, ist aufeinander angewiesen und es wird deshalb weniger möglich, das ökonomische Kapital gezielt auf Kosten der anderen zu mehren. Soziales Kapital als neue Werteinheit? Eine Einheit, die mit Geld nicht zu bewerten ist, sondern sich in der Qualität des eigenen Lebensraumes ausdrückt?

Wie wichtig ist der Verein?

In diesem Zusammenhang ist die soziokulturelle Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements auf Vereinsbasis zu erwähnen. Denn gerade die Vereine haben schon immer eine gute Möglichkeit geboten, Kommunikation innerhalb und zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu intensivieren beziehungsweise zu ermöglichen. Der Aspekt der sozialen Integration rückt heute, in einer zunehmend anonymisierten Welt noch viel stärker in den Vordergrund.

Die Vereine bieten hier eine gute Möglichkeit, sich in kurzer Zeit in einem Ort neu zu integrieren. Aber nicht nur die Integration „Zuagroaster“, oder auch ausländischer Zuwanderer ist ein positiver Synergieeffekt ehrenamtlichen Engagements in einem Verein, auch das Erlernen sozialer Kompetenz ist ein nicht zu verachtender, wertvoller Nebeneffekt. Vielfach ist den ehrenamtlich Tätigen gar nicht bewusst, welche Eigenschaften, sie sich durch das Ausüben ihrer Tätigkeit aneignen. Nämlich die Fähigkeit zur Kommunikation, Teamarbeit, Organisation, Arbeit unter Stress, etc., was in der modernen Berufswelt verstärkt von den ArbeitnehmerInnen abverlangt und bei Stellenausschreibungen, zum Beispiel in Form von „soft skills“, auch gefordert wird (Kirchler, W. 2001).

Ein Weg aus der Falle - Nachhaltigkeit

Eine beispielhafte Antwort auf den Rückgang der Ehrenamtlichen im Bereich der freiwilligen Feuerwehren ist, dass es Gemeinden gibt, die beim Einstellungsverfahren von Gemeindebediensteten, BewerberInnen, die einer ehrenamtlichen Tätigkeit bei der örtlichen Feuerwehr nachgehen, bevorzugen. Sollte es während der Arbeitszeit zu einer Alarmierung kommen, können diese Gemeindebediensteten zum Einsatz einrücken, ohne berufliche negative Konsequenzen erwarten zu müssen. Sicher ein kluger Weg, da gerade kleine Gemeinden auf den gesamtgesellschaftlichen Wandel der Erwerbstätigkeit keinen großen Einfluss nehmen können, so aber die eigene Sicherheit aufrechterhalten können. Außerdem wird dadurch die ehrenamtliche Tätigkeit aufgewertet und führt in diesem Fall sogar zu einem konkreten Berufsvorteil. Kritisch betrachtet ändert eine solche Maßnahme aber nichts an der prinzipiellen Problematik, sondern ist mehr ein Akt um „Schlimmeres zu verhindern“. Auch wenn Kommunen sich oftmals in die Passivität gedrängt fühlen und gesellschaftspolitische Entwicklungen auf Globalisierungsprozesse abschieben, ist es ihnen bis zu gewissem Grade möglich, in ihrem Lebensraum sehr wohl Weichen für zukünftige und nachhaltige Entwicklungen zu stellen.

Um den Begriff der Nachhaltigkeit hier nicht als leere Worthülse stehen zu lassen, sei an dieser Stelle die „Mutter“ der Begriffdefinition erwähnt, die aus dem Bericht der „Brundtland-Kommission für Umwelt und Entwicklung“ der Vereinten Nationen entnommen ist:

Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen. Die Forderung, diese Entwicklung „dauerhaft“ zu gestalten, gilt für alle Länder und Menschen.

Der „österreichischen Strategie zur nachhaltigen Entwicklung“ zufolge, ist der Begriff Nachhaltigkeit mehr als nur ein zeitgemäßes Schlagwort, sondern ein neues, an Langfristigkeit orientiertes Leitbild der Umwelt-, Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik, das weit über Regierungsperioden und Landesgrenzen hinausweist (Die österreichische Strategie zur Nachhaltigen Entwicklung, 2002).

Im April 2002 wurde diese Strategie von der österreichischen Bundesregierung beschlossen und man muss sich an diesem Punkt konkret fragen, wie man deren national/globalen Leitbilder auf eine lokal/regionale Handlungsebene bringen kann. Eines der Ziele dieser Strategie ist die Stärkung der ländlichen Regionen, um weitere Landflucht zu vermeiden. Ein wesentlicher Aspekt um den ländlichen Raum stärken zu können, ist das Erkennen innerregionaler Potentiale und Ressourcen, was für eine selbstbestimmte Regionalentwicklung von zentraler Bedeutung ist und somit zu einer Erscheinung des Paradigmenwechsels vom „top down“ zum „bottom up“ Prinzip wird. Zusammenfassend also eine Fort- und Weiterentwicklung, die mehr vom Inneren der Region heraus kommt, als von oben und außerhalb diktiert wird. In diesem Konzept geht man auch davon aus, dass sich regionale Akteure in einem Beziehungsgeflecht von Politik, Wirtschaft, Sozialem, Kultur und Ökologie bewegen und die Akteure als Dreh- und Angelpunkt dieses Gefüge maßgeblich beeinflussen. Man muss Region also als System sehen und verstehen lernen und die Bedeutung jedes einzelnen Faktors in der Planung berücksichtigen (Asamer-Handler, M., Reiner, K. 2000). Das System ist mit einem Mobile vergleichbar, dass auf Einflüsse von außen in allen Teilbereichen reagiert und mit ihnen interagiert.

Und genau dieses System muss in allen Teilen zukunftsfähig gemacht und gestärkt werden, um das gesamtregionale Potential freisetzen zu können, von dem ehrenamtliches Engagement nur eine Facette von vielen ist.

Um jetzt den Bogen fertig zu spannen und den Zusammenhang zu den ehrenamtlich strukturierten Hilfsorganisationen herstellen zu können muss man feststellen, dass der Bereich Ehrenamt in obig beschriebenem Beziehungsgeflecht eingebettet ist und wie in einem Mobile auf Veränderungen der anderen Faktoren reagiert. Gerade deshalb wird der Wandel der Erwerbstätigkeit und der Gesellschaft in allen Bereichen bemerkbar und spiegelt sich auch bei den Feuerwehren und bei den Rettungsorganisationen wider. Die Einführung des Zivildienstes und die Zuweisung von Zivildienern an die verschiedenen Hilfsorganisationen konnte negative Auswirkungen zwar abpuffern, jedoch zu wenig um eine voll- und hochwertige Versorgungssicherheit garantieren zu können. Im Jahr 2002 wurden dem Österreichischen Roten Kreuz insgesamt 2.772 Zivildiener zugewiesen, wovon 2.618 als Sanitäter zum Einsatz kamen (ÖRK, 2002).

Als positive „Nebenwirkung“, ist anzumerken, dass zahlreiche Zivildiener nach ihrem einjährigen bezahlten Dienst den Organisationen als Ehrenamtliche erhalten bleiben, nicht zuletzt weil sie oftmals zum ersten Mal in ihrem Leben ein sinnstiftendes Tätigkeitsfeld entdeckt haben, das sie nicht mehr missen wollen.

Altruismus vs. Egoismus

Trotzdem erfährt das Ehrenamt in Österreich derzeit generell einen massiven Rückgang, dessen komplexe Ursachen nicht eindeutig zuzuordnen sind und nicht nur auf die veränderten Erwerbsverhältnisse zurückzuführen sind. Während 1984 58,9% der ÖsterreicherInnen ehrenamtlich aktiv waren, waren 2004 nur noch 51,1 % in diesem Bereich tätig. Vor allem im Sektor Nachbarschaftshilfe und soziale Dienste zeichnet sich ein starker Negativtrend ab. Interessant ist auch, dass Frauen anteilsmäßig in den ursprünglich von Männern dominierten Tätigkeitsfeldern stärker vertreten sind, während umgekehrt anscheinend wenig Anreiz für Männer besteht, ehrenamtliche Aufgaben der Frauen zu übernehmen.

Um hier einen Überblick über den Umfang der geleisteten Arbeit gewinnen zu können ist es notwendig die geleistete Stundenanzahl zu berücksichtigen. So lag der durchschnittliche Zeiteinsatz pro Person und Woche 1982 bei 6,22 Stunden und im Jahr 2000 bei 5,07 Stunden.

Demnach ist nicht nur der relative Anteil ehrenamtlicher Personen in Österreich zurückgegangen, Ehrenamtliche investieren zudem weniger Zeit für ihr Engagement (Badelt, Ch. 1982, 2000).

Wichtig in dieser Diskussion ist, dass vor allem informelle Formen des Ehrenamts von diesen Entwicklungen betroffen sind. Dies sind jene Tätigkeiten, die außerhalb von Organisationen und deren Strukturen durchgeführt werden. Nachbarschaftshilfe als wahrscheinlich traditionellste Form sei hier hervorgehoben. Der Anteil der in Organisationen Tätigen hat hingegen zugenommen. Im Jahr 2002 leisteten die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen des Österreichischen Kreuzes 12.127.731 Stunden Dienst. Bewertet man dieses Arbeitsvolumen mit einem Stundenlohn von € 20 ergibt das einen Betrag von 242 Millionen Euro (ÖRK, 2002). Vielleicht liegt der Grund für diese Tendenz darin, dass durch zunehmende Anonymität die Nachbarschaftshilfe abnimmt, jedoch der altruistische Wille des Menschen in Not Geratenen zu helfen im Grunde nicht abgenommen hat. Weiters leisten Organisationen einen wesentlichen Beitrag um Ehrenamtliche professionell auszubilden und im Ausüben ihrer Tätigkeiten umfassend zu betreuen. In den letzten Jahren ist es sogar zu einer Art Konkurrenzsituationen unter den NPOs gekommen, da es zunehmend schwieriger wird ehrenamtliches Personal, vor allem für leitende Funktionen zu akquirieren. Image, öffentliches Auftreten und Medienauftritt bekommen hier immer mehr entscheidende Funktion um Leute für sich gewinnen zu können.

Was bringt die Zukunft?

Sind Brände die nicht gelöscht werden, Unfallopfer die nicht betreut werden nur Schwarzmalerei, oder zeichnet sich hier eine Entwicklung ab die zutiefst besorgniserregend ist, beziehungsweise sein sollte? Man wird sich fragen müssen, ob die Freiwillige Feuerwehr und Ehrenamt im Rettungs- und Krankentransportdienst zunehmend Auslaufmodelle sein werden und ob es überhaupt erstrebenswert ist, sich an diese Organisationsformen zu klammern.

Da wir zur Zeit eine Stagnation, beziehungsweise einen Rückgang des Arbeitsplatzangebotes zu verzeichnen haben, kann man sich schließlich auch fragen, ob angestelltes Personal ehrenamtliche Tätigkeiten übernehmen kann, oder sogar sollte.

1982 betrug das Arbeitsvolumen ehrenamtlich geleisteter Arbeit dem Äquivalent von 537.000 Ganztagstätigen (Badelt, Ch. 1985). Eine enorme Zahl, die rein theoretisch die Arbeitslosensituation drastisch entschärfen könnte, würde man die Betätigungsformen einfach umwandeln. Weiters stellt sich die Frage, ob „Amateure“ in Notfallorganisationen überhaupt erwünscht sind. Die Anforderungen, speziell bei Feuerwehr und Rettungsdienst sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Haftbarkeitsbestimmungen gegenüber SanitäterInnen wurden und werden weiter verschärft und bei Fehlern im Einsatz kann es durchaus zu Gerichtsverhandlungen mit schwerwiegenden Folgen kommen. Ist es also überhaupt zu verantworten, dass Ehrenamtliche, die sarkastisch ausgedrückt „ein Hobby betreiben“ für Notfälle zum Einsatz kommen? Oder sollte man diesen Sektor Berufstätigen überlassen, die jahrelange Erfahrung sammeln können und sich täglich mit ihrem Fachgebiet auseinanderzusetzen haben? Klarerweise muss man sich hier vor Verallgemeinerung hüten, denn ehrenamtliches Personal ist beim Ausüben ihrer Tätigkeit, oder bei der Fortbildung oftmals besser engagiert und stärker motiviert als ihr hauptberuflich beschäftigtes Pendant. Die Kostenfrage ist wahrscheinlich der größte Knackpunkt, denn Ehrenamtliche arbeiten gratis beziehungsweise günstig, während hauptberuflich Beschäftigte viel Geld kosten. Als Beispiel kann man Großbritannien nennen, das über eine landesweite einheitliche, hauptberufliche Feuerwehr und Rettung verfügt. Zum Beispiel kommt dort dem in Erster Hilfe ausgebildeten ehrenamtlichen Personal verschiedener Non Profit Organisationen eine wichtige Rolle im Katastrophen- und Großschadensfall zu, da sie als „back up forces“ die Versorgung von Un- bzw. Leichtverletzten übernehmen, oder sich für die Bereitstellung von Nahrung verantwortlich zeichnen, damit sich die staatlichen Emergency Services, also Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei, nur um den Akutschadensfall zu kümmern haben und Kapazitäten freihalten können.

Wie zu Beginn erwähnt, hat hauptberufliches Personal in den letzten Jahren sehr stark Eingang in einst rein ehrenamtliche Organisationen gefunden. Wie weit sich dieser Trend fortsetzen wird ist noch nicht abzusehen, jedoch muss man die Negativentwicklung des Ehrenamts massiv bremsen und Möglichkeiten ausarbeiten diesen Bereich wieder mit Attraktivität belegen zu können.

So genannte Volunteer Bureaus wie es sie in Großbritannien gibt, dienen dazu, an ehrenamtlicher Tätigkeit Interessierte an die passenden Organisationen weiterzuleiten. Diese Büros, oft von staatlicher Seite finanziert übernehmen bis zu einem gewissen Grad auch das Recruiting und entlasten so die verschiedenen Hilfsorganisationen deren Budget ohnehin strapaziert ist. Ein Punkt den es sicher noch vermehrt zu diskutieren gilt, ist auch die Frage der Marktöffnung- bzw. Liberalisierung. Gibt es Tätigkeitsfelder von Non Profit Organisationen die markfähig sind und dahingehend auch geöffnet werden sollen?

Wäre das eine Möglichkeit um den Arbeitsmarkt entlasten zu können und Vollbeschäftigungsstellen zu schaffen? Um beim Beispiel des Rettungsdienstes zu bleiben kann man durchaus die Aussage treffen, dass dieser Bereich marktfähig ist, da es in Ländern wie den USA, oder Deutschland schon seit geraumer Zeit mehrer private Rettungsdienstanbieter „am Markt“ gibt und die traditionell in diesem Bereich tätigen Organisationen ihre Prioritäten auf andere Geschäftsfelder, wie zum Beispiel Altenbetreuungs- und Pflegedienste, verlagert haben. Kritisch muss man natürlich betrachten, ob ein sich völlig selbst überlassener Markt zu einer ausreichenden Versorgung führen würde (Badelt, Ch. 2001). Ist die rettungsdienstliche Versorgung mit qualifiziertem Personal sozusagen ein „Service“ für das man genauso bezahlen sollte wie für die Müllabfuhr? Natürlich wird das Rettungswesen über Umwege von den „KonsumentInnen“ durch Sozialversicherungsbeiträge und Spenden finanziert, nur herrscht hier keine Kostenwahrheit und die Organisationen sind vielfach vom Gutdünken der geldgebenden Institutionen abhängig. Hier stellt sich die Frage warum man eigentlich für die Müllabfuhr bezahlt, jedoch nicht für den Rettungsdienst und warum müssen Einsatzorganisationen sich ihre Fahrzeuge oft regelrecht „erbetteln“? Was wird Rettungsdienst eigentlich kosten wenn der Markt geöffnet ist und sich ehrenamtliche Organisationen daraus zurückgezogen haben um sich anderen Bereichen zu widmen?

Wer wird diese Kosten tragen, oder werden sie ohnehin auf die Patienten direkt abgewälzt? Muss man in Zukunft einen Blick in die Geldbörse werfen bevor man den Notruf wählt?

Was bleibt also zu tun?

Man sollte klarerweise nicht den Teufel an die Wand malen und polemisieren, jedoch sind dies Fragen die im Hinblick auf zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen gestellt werden müssen und die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Rettungsdienstes nur einen kleinen Teil davon repräsentiert. Es wird wieder vermehrt BürgerInnen-Engagement gefragt sein, denn jede/r Einzelne trägt seinen Teil zum Funktionieren der Gesellschaft bei und man muss sich dieser Verantwortung wieder bewusst werden. Gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten, in denen nicht mehr alles leistbar ist, muss man sich gegenseitig unterstützen. Sei es in einer Organisation, einem Verein, oder in dem man einfach dem altersschwachen Nachbarn seine Hilfe anbietet. Jeder von uns kann helfen und nicht alle haben Geld!

Clemens Liehr, h9840220, 920

Begriffsdefinitionen, Literaturverzeichnis


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