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Dissertation: Tourismus im Wienerwald


Christian Matzka hat im Juni 2004 seine Dissertation „Tourismus im Wienerwald vom Bau der Eisenbahn bis zum Ersten Weltkrieg (1850 - 1914). Die Entstehung einer Freizeitregion vor den Toren der Großstadt" fertiggestellt. Wir hoffen, dass sie demnächst in Buchform vorliegen wird und dürfen das letzte Kapitel „Zusammenfassung und Schlussfolgerungen" hier wiedergeben.

Siehe auch: Vortrag von Mag. Dr. Christian Matzka in der Neuen Stadtgalerie

In der vorliegenden Arbeit wurde der Raum des Wienerwaldes als Tourismusregion in der Umgebung der Millionenstadt Wien in der Zeit vom Bau der Westbahn nach 1860 bis zum Ersten Weltkrieg dargestellt. Ausgangspunkt der Untersuchung war die These, dass sich die Region des Wienerwaldes bis 1914 zu einer der am intensivsten genutzten Tourismusregion in Österreich entwickelte.

Das Bedürfnis der städtischen Bevölkerung nach Bewegung in der Natur und Genuss der Aussicht von den Bergen rückte den Wienerwald in das Zentrum des Interesses der Touristen. Die Bahn als Transportmittel erkannten die Wiener Touristen sofort, und begannen sich bald mit der Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten der Eisenbahn auseinanderzusetzen. Am Beginn der Entwicklung stand der individuelle- oder Kleingruppentourismus, der nach 1870 von den organisierten Touristenvertretungen mit Gruppenwanderungen konkurrenziert wurde. Die Interessensvertretungen der Touristen, wie ÖTK, DÖAV, Verein der Naturfreunde in Mödling, Verschönerungsvereine, Gemeindevertretungen und überregionale Vertretungen, wie ab 1897 der Wientalverein oder ab 1903 der Landesverband für Fremdenverkehr in Wien und Niederösterreich, traten mit den Eisenbahnverwaltungen in Kontakt und verhandelten über Fahrpreise, Fahrplangestaltung, Bau neuer Linien, die Errichtung neuer Stationen, Werbeaktivitäten und Subventionen. Erst in der Folge, ab den 1880er Jahren, erkannten die Eisenbahnverwaltungen stärker die Bedeutung der Touristen für die Nachfrage und gingen immer öfters auf die Wünsche ein, die allerdings den Eisenbahnen abgerungen werden mussten. Jede neue Trendsportart, wie der Wintersport, führte zu neuen Verhandlungen hinsichtlich der Mitnahme der Sportgeräte in der Eisen- und Straßenbahn. Nach langjährigen Verhandlungen konnten auch dafür Lösungen, wie eigene Straßenbahnzüge für Wintersportler, Sportzüge und Wintersportwaggons gefunden werden.

Hinsichtlich der Entwicklung touristischer Aktivitäten ging die Initiative von den touristischen- und Verschönerungsvereinen und einzelnen Privatpersonen aus, die bis ca. 1900 die alleinigen Träger der Entwicklung im Wienerwald waren. Die ersten Handbücher zur Tourismusentwicklung wurden als solche nicht akzeptiert, und der lokale und regionale Egoismus dominierte die Situation. In Niederösterreich gelang erst 1903 die Gründung des Landesverbandes, der sich intensiv um die weitere Entwicklung kümmerte. Erst 1908 nahm sich die Regierung mit einem eigenen Departement für Fremdenverkehr der Sache an und stellte ein eigenes Budget zur Verfügung. Damit begann auch die nachhaltige Konzeption der „Erziehung der Bevölkerung für den Fremdenverkehr". Das duale Prinzip, einerseits die Schule als Ort der Tourismusbildung zu etablieren, andererseits die Mitarbeiter der Tourismuswirtschaft weiter zu schulen, erscheint als Grundlage der gegenwärtigen relativen Unabhängigkeit der österreichischen Tourismuswirtschaft von internationalen Reiseveranstaltern und Reisevermittlern. Noch 1912 wurde das Thema Tourismus als Unterrichtsprinzip in den Pflichtschulen eingeführt. Das dezentrale Konzept der „Wanderkurse und Wanderversammlungen", in deren Rahmen Referenten des Landesverbandes und des Ministeriums für öffentliche Arbeiten nach 1908 in den einzelnen Orten Niederösterreichs und damit auch im Wienerwald die Bevölkerung weiterbildeten, wurde zu einem Erfolg.

Wie bei allen gemeinnützigen Tätigkeiten, so war auch die Finanzierung der touristischen Einrichtungen ein Problem. Mit Spendensammlungen, Suche von Sponsoren, und dem Kampf um Subventionen durch die öffentliche Hand wurde versucht, die Finanzierung sicherzustellen. Der Erfolg war sehr unterschiedlich. Die Spenden und Sponsorgelder waren abhängig von der Finanzkraft der Mitglieder der Vereine und der Bewohner der Regionen. Wichtig waren aber auch die persönlichen Kontakte zu Entscheidungsträgern und finanzkräftigen Personen. Unterschiede lassen sich zwischen den Kapazitäten des Vereins der Naturfreunde in Mödling und anderen Organisationen feststellen. Im Bereich der Südbahn konnten viel mehr finanzielle Mittel in kürzerer Zeit bereitgestellt werden als in anderen Regionen.

Ein zentraler Punkt der Tourismusentwicklung war die Verbesserung der Qualität der Gastronomie und Hotellerie. Die Vereine, wie ÖGV, TVN und Sektion Wienerwald des ÖTK kooperierten mit den Gasthäusern im Wienerwald und stellten den von ihnen als gut klassifizierten Betriebe Raum für Inserate in den Vereinszeitschriften zur Verfügung.

Die Sektion Wienerwald entwickelte in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts ein Gütesiegel für die Sektionswirte, das diese den Touristen gegenüber als geprüfte Betriebe auswies. Mit diesen Aktivitäten konnte die städtische Kultur in den ländlichen Raum transferiert werden. Um 1910 begann die von der Regierung geförderte Durchführung der gastwirtschaftlichen Kurse für die Mitarbeiter der Tourismusbranche, die auch in Niederösterreich für Teilnehmer aller Regionen abgehalten wurden.

Die Bearbeitung der touristischen Märkte rückte mit der Zunahme der Zahl der Touristen nach 1890 in den Mittelpunkt des Interesses. Die Werbung wurde nach 1903 über den Landesverband in Niederösterreich zentraler organisiert. Betriebe schalteten Inserate, der Landesverband gab einen Sommerfrischeführer, einen Wintersportführer und einen Wintersportkalender heraus, beziehungsweise unterstützte die Gemeinden bei der Erstellung von Ortsprospekten. In Wien entstand ein Auskunftsbüro des Landesverbandes, das 1913 schon ganz professionell, in Abteilungen unterteilt, geführt wurde und 22 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigte. Die Teilnahme an internationalen Ausstellungen, wie in Berlin 1911, sollte auch den Wienerwald in das Blickfeld des internationalen Publikums bringen.

Um 1900 lassen sich im Wienerwald alle möglichen Strömungen der Tourismuswirtschaft beobachten. Die Tourismusvereine erschlossen den Wienerwald mit einer großen Zahl von Aussichtswarten, Schutzhütten und Wegen, die auf hunderten von Kilometern auch markiert und in Stand gehalten wurden. Dies, in Kombination mit den reduzierten Fahrpreisen auf der Westbahn, ermöglichte den Massentourismus nach 1890 und eine erste Form der egalitären Landschaftsnutzung in der Umgebung von Wien. Bis zu 10 Millionen Menschen dürften um 1910 pro Jahr den Wienerwald in der Freizeit aufgesucht haben.

Die „In–Sportart" Wandern wurde ab 1890 durch den Radsport abgelöst. Ab dieser Zeit fuhren tausende Touristen mit dem Fahrrad durch den Wienerwald. Die Radfahrvereine organisierten die Beschilderung der Straßen, kümmerten sich um die Verbesserung der Straßen und richteten die ersten Radfahrergasthöfe für ihre Mitglieder ein. Diese dienten zur Versorgung der Radfahrer und waren Stützpunkte zur Pannenhilfe. Viele Radrennen zeigen die Bedeutung und die Beliebtheit dieser Sportart.

Fast zeitgleich mit dem Radsport hält der Wintersport im Wienerwald Einzug. Die ersten Schiveranstaltungen am Beginn der neunziger Jahre läuteten eine neue Epoche ein. Erst nach 1905 wurde der Winter zu einem zweiten Standbein der Tourismusorte im Wienerwald. Die Wanderwege wurden vom Schnee gesäubert, in vielen Orten, wie am Anninger, berühmte Rodelbahnen angelegt und auf den Wienerwaldwiesen Wintersportplätze mit Sprungschanze, Schiwiese und Rodelbahn eingerichtet. Schifahren war ein Wiener, städtischer Sport geworden. Mit der Straßenbahn und den Lokalzügen wurden die Wintersportzentren in Hütteldorf oder Kaltenleutgeben erreicht. Der Wienerwald konnte auch von den Tourenfahrern entdeckt werden und wurde viel befahren.

Die Extremsportart Klettern konnte ebenfalls im Wienerwald in den Wänden des Peilsteins oder in der Klause in Mödling ausgeübt werden.

Die nächste Sportart, die den finanzkräftigeren Schichten vorbehalten war, war der Motorrad- und Automobilsport. Im Wienerwald fanden Motorradrennen und Automobilwertungsfahrten statt.

Für viele sportliche Touristen war der Wienerwald ein Trainingsgebiet für die Aktivitäten im Hochgebirge, und die stadtnahe Möglichkeit Kondition zu entwickeln. Der Wienerwald bot aber auch einen Ersatz der Hochalpen für finanzschwache Touristen, die sich vor den Toren der Stadt alpine Erlebnisse holen konnten.

Dauerte der Produktzyklus, von einer snobistischen, teuren Sportart zu einer Massenbewegung des Wandersportes von 1800 bis ca. 1890, so verkürzte sich diese Zeit beim Radtourismus auf die Zeit von 1880 bis 1910 und beim Schifahren von 1890 bis 1910. Die Entwicklung ging immer rasanter und immer neue Sportarten, wie Tennis, tauchten im Wienerwald auf.

Die klassische Sommerfrische hatte im Wienerwald die Hochblüte von 1860 bis 1890. Die Orte wurden für den bürgerlichen Sommeraufenthalt am Land genutzt. Um 1900 ist diese Entwicklung mit allen Strömungen der Tourismuswirtschaft überlagert worden. Die einzelnen Gemeinden wurden Sommerurlaubsorte, die ein reichhaltiges Angebot an Sport- und Unterhaltungsmöglichkeiten den Besuchern boten. Der Weg zu den Wohnvororten war schon vorgezeichnet.

Neben den Sommergästen, die oft eine ganze Saison blieben, entwickelte sich aber auch der Kurzurlaub. Für dieses Nachfragesegment erstellte der Landesverband für Fremdenverkehr Packages für einen einwöchigen Aufenthalt in Baden. Auch in der Sommerfrische zeigt sich die Egalität der touristischen Entwicklung besonders an der Westbahn, wo die Preise niedriger als an der Südbahn waren. Alle Schichten, auch Arbeiter, sind unter den Sommergästen um 1910 zu finden. Die Nähe der Orte zur Stadt Wien bot die Möglichkeit, der Arbeit als Tagespendler nachzugehen.

Genutzt wurde der Wienerwald auch von Besuchern der Stadt Wien. Kongressteilnehmer wurden in den Wienerwald geführt, Fremdenausflüge sollten Ausflugsmöglichkeiten bieten und Autobusgesellschaftsreisen führten die Gäste aus Wien ins Umland der Stadt.

Die Position von Frauen im Tourismus war von der Stellung und der Finanzkraft abhängig. Viele Frauen fanden in der Gastronomie Arbeit, denn die Tourismuswirtschaft hatte den höchsten Frauenanteil an den Beschäftigten in Österreich. In den Tourismus- und Sportvereinen waren Frauen als Mitglieder tätig, hatten aber keine Führungspositionen inne. Alleinreisende Frauen, die die finanziellen Möglichkeiten dazu hatten, konnten in den Wienerwaldorten um 1910 beobachtet werden. Die Verwischung der Grenzen zwischen den Geschlechtern und deren andeutungsweise Gleichstellung sind durch die Finanzkraft, oder die Teilnahme an den sportlichen Aktivitäten, die oft eine Überlegenheit des „schwachen Geschlechts" zeigten, erklärbar. In der Sommerfrische dominierten die Frauen, da die Männer oft nur am Wochenende zur Familie stießen.

Konflikte zwischen den Bereisten und den Reisenden kennzeichnen die Anfangszeit des Tourismus im Wienerwald. Zerstörungen der Wege und Markierungen, Einbrüche in Schutzhütten oder auch Angriffe auf die körperliche Sicherheit der Touristen waren möglich. Die alpinen Vereine organisierten humanitäre Aktivitäten und versuchten so sich das Wohlwollen der Bevölkerung zu sichern. Zu Weihnachten wurden im Wienerwald viele Kinder eingekleidet, Suppenküchen unterstützt und Weihnachtsfeiern in Wienerwaldorten finanziert. Der soziale Unterschied und die Distanz zwischen Stadt und Land war groß. Die touristischen Vereine hatten das Ziel, diesen Unterschied zu mildern und die städtische Kultur in die Alpen zu bringen.

Der zunehmende Massentourismus brachte auch eine Zunahme der Unfälle, bedingt durch die Gefahren, die Klettern, Rodeln, Radfahren oder Schifahren mit sich brachten. Klettern war deswegen sehr umstritten und wurde auch nicht subventioniert.

Die nationalistischen Entwicklungen um 1910 führten auch im Wienerwald zu antitschechischer Agitation, an der sich besonders der ÖGV beteiligte, aber auch zu antijüdischen Aktivitäten. Der Tourismus wurde von deutschnationalen Organisationen für ihre Zwecke instrumentalisiert, und erschien vielen Menschen als Möglichkeit, die Verteidigung nationaler Besitzansprüche zu artikulieren.

Ein großes Problem dürfte der Alkoholkonsum der Touristen gewesen sein. Viele Unternehmungen endeten im Gasthaus und führten zum Konsum größerer Mengen an alkoholischen Getränken.

Für die Umwelt hatte der Massentourismus um 1900 schwerwiegende Folgen. Der Müll der Touristen, und die Schädigung der Flora führten zu ersten Pflanzenschutzaktivitäten. Die Tourismusorganisationen, aber auch die Bewohner der Sommerfrischeorte erkannten die Natur und insbesondere den Wald als Grundlage der touristischen Entwicklung und setzten sich in Petitionen an das Ackerbauministerium für die Erhaltung des Hochwaldes im Wienerwald ein. Diese Eingaben hatten auch immer wieder Erfolg.

Diese Entwicklung zu einem differenzierten touristischen Markt fand durch den Beginn des Krieges 1914 ein jähes Ende und im Bereich des Wienerwaldes auch keine adäquate Fortsetzung. Die Hotels wurden gemäß eines Erlasses des Arbeitsministeriums 1914 für Kranke und Verwundete zur Verfügung gestellt.

Die Wienerwaldwanderer verliefen sich spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg in entferntere Regionen. In der Gegenwart sind viele Einrichtungen verfallen, die meisten Gasthäuser, wie die einst beliebten Ausflugsgasthäuser am Troppberg, Pfalzberg, in Schwabendörfl, in der Aggsbachklause oder in der Baunzen mussten nach 1970 für immer schließen, und viele Hotels sind entweder nicht mehr vorhanden, zu Wohnhäusern wie in Maria Anzbach umgebaut, oder wie in Rekawinkel und Neuhaus verfallene Ruinen. Die Orte haben sich nach der Welle des Zweitwohnungswesens der Wiener ab den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu beliebten Wohnorten in der Nähe von Wien entwickelt.

Der Wienerwald zeigt sich gegenwärtig im zentralen Bereich in weiten Teilen als eine verlassene und einsame Region, die auf die Wiederentdeckung wartet. Der einsame Wanderer der Gegenwart kann sich die Massenbewegungen vor hundert Jahren kaum vorstellen.

Alles schon da gewesen? - Die Gegenwart der Vergangenheit im Tourismus

Beim Studium der Tourismusentwicklung im Wienerwald vor 100 bis 150 Jahren fällt auf, dass es viele Aktivitäten, die scheinbar in der Gegenwart neu sind, schon damals gegeben hat. Das differenzierte Fußwanderangebot für verschiedene Zielgruppen erinnert an die Gegenwart. Familien-, sportliche, Nacht-, Winter-, kulturelle oder naturkundliche Wanderungen sind heute Angebote in vielen Tourismusorten. Das moderne Schluchting hat den Vorgänger in dem Angebot Quellenwandern.

Die gegenwärtig so moderne Animation fand ständig auf den Vereinsausflügen der alpinen Vereine statt, da man sich gegenseitig unterhielt. Das Konzept der Kinderanimation war auch schon bekannt, und geprüfte Kindergärtnerinnen beaufsichtigten Kinder bei Ausflügen. Die heutigen Kinderhotels sind somit schon vorweggenommen.

Die Radfahrergasthöfe finden ihre gegenwärtige Entsprechung in den Bikerhotels, die es überall in Österreich heute gibt. Die Wintersportplätze waren frühe Funparks und die Angebotsmischung vor 1910 für den Winterurlaub wurde gegenwärtig neu erfunden. Die Mitgliedskarten der Vereine wurden als Vorteilskarten, die Ermäßigungen boten, aber auch als gegenseitige Benützungslegitimationen auf den Wintersportplätzen genutzt. Moderne Vorteilskarten und Großraumkarten waren in Ansätzen schon vorhanden.

Mountainbiken ist keine neue Erfindung. Als Alpines Radfahren wurde es schon vor 1900 propagiert und im Wienerwald durchgeführt. Selbst die heutigen Radwege im Wienerwald, wie von der Baunzen nach Wolfsgraben, folgen alten Radwegen aus der Zeit vor 100 Jahren. All inclusive Angebote gab es für die Touristen schon um 1910. Mit Gutscheinheften, heute modern Voucher genannt, konnte das Programm vor Ort, wie in Baden, konsumiert werden.

Im Bereich des Marketings gab es vor 100 Jahren viele moderne Ansätze. Teilnahmen an internationalen Ausstellungen, Ausstellungen in Wien, Werbung in Eisenbahnen, Plakate in Wien, Prospekte und Führer wurden je nach Saison und jährlich aufgelegt. Selbst die Differenzierung nach lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Werbung, und die Zuweisung an die verschiedenen Verwaltungsebenen wurden angedacht und auch ansatzweise umgesetzt. Eventmarketing, heute ganz modern, führten die Schivereine schon durch. Umwegrentabilitäten waren schon bekannt. Merchandising, um das Produkt besser zu platzieren, war bei den Tourismusvereinen üblich und wurde angewandt. Gasthäuser als touristische Leitbetriebe übernahmen die Vermittlung von Sommerwohnungen in der Umgebung des Betriebes und dienten auch als Auskunftsstellen.

Diese Organisation der Unterkunftsvermittlung wurde und wird in der Gegenwart im Waldviertel angewendet. Die vom Landesverband für Fremdenverkehr durchgeführten Abteitouren in Niederösterreich finden ihre gegenwärtige Entsprechung in der Angebotsgruppe „Klösterreich" der Österreich-Werbung. Die Sanatorien im Wiental können als erste Wellnesseinrichtungen, aber auch als Vorläufer des Cluburlaubs angesehen werden. Die Gäste wurden in einem abgeschlossenen Komplex betreut und fanden vor Ort alle notwendigen Einrichtungen. Qualitätsentwicklung in der Gastronomie wie das „niederösterreichische Wirtshaus" oder die „Traunseewirte" hat den Vorläufer im Qualitätsgütesiegel für Sektionswirte der Sektion Wienerwald des ÖTK. Selbst das Wohnmobil hat mit dem Automobilreisewagen schon seinen Vorfahren vor 1900.

Die Aktivitäten und schulischen Kooperationen des Vereins zur Pflege des Jugendspiels finden in Form der Unternehmen, die gegenwärtig „Outdoor Activities" für die österreichischen Schulen anbieten, wieder statt. Der Wienbesuch von Schülern aus den Kronländern weist den Weg zu den „Wienwochen" der Bundesländerschulen der Gegenwart. Auch die gegenwärtig so modernen Angebote für Lernferien lassen sich schon vor dem ersten Weltkrieg feststellen.

An den humanitären Aktivitäten der alpinen Vereine vor mehr als 100 Jahren im Wienerwald könnten sich viele gegenwärtige Reiseveranstalter ein Beispiel nehmen. Die Verantwortung für die „Bereisten" in der Peripherie der Weltwirtschaft (Entwicklungsländer) könnte auch in der Gegenwart übernommen werden.

Offen bleibt die Frage, wieso es zu einem Wissens- und Kenntnisverlust in der Tourismuswirtschaft kommen konnte, und viele Aktivitäten des touristischen Managements und Marketings erst in der Gegenwart neu entdeckt werden. Nach den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Problemen und Wirren die zwei Weltkriege erzeugten, kommt es erst ab der Mitte der 1980er Jahre, bedingt durch den allgemeinen Wohlstand, und nach den Einbrüchen bei den Nächtigungszahlen ab 1993 in Österreich zu einem differenzierten touristischen Marketing, das an die Entwicklung, wahrscheinlich ohne historischem Wissen der Tourismusmanager, vor mehr als 100 Jahren anschließt.


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